Asien: im Zentrum der Energiewende?

安琦 王 / Adobe Stock

Aktien – 20.10.2022

Asien: im Zentrum der Energiewende?

Die wichtigsten Fakten:

  • Energiebedarf Asiens wird in den kommenden zehn Jahren deutlich steigen
  • Asien-Pazifik-Region mit weltweit höchsten Investitionssummen in erneuerbare Energien
  • Etablierte Technologien und Unternehmen könnten langfristig interessante Anlagemöglichkeiten bieten

Die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Kriegs auf die Energiemärkte sind mittlerweile weltweit zu spüren. Zwar sorgten die Unterbrechungen der Pipelinelieferungen russischen Erdgases nach Europa zunächst vor allem dort für deutlich steigende Gaspreise. In der Folge zapften europäische Länder aber auf der Suche nach alternativen Gasquellen zunehmend auch den internationalen Markt für Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) an, was zu einem deutlich stärkeren Wettbewerb und entsprechenden Preissteigerungen am LNG-Markt führte. Betroffen sind davon in erster Linie asiatische Volkswirtschaften, die sich in den vergangenen Jahren zu den führenden LNG-Importeuren weltweit entwickelt hatten.

Asien nach wie vor stark von Kohle abhängig

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei anderen Erdgasalternativen, etwa Kohle. Diese spielt bei der Energiegewinnung in Asien nach wie vor eine bedeutende Rolle – und wird diese auch noch viele Jahre beibehalten: In Indien lag der Kohleanteil an der Stromerzeugung im vergangenen Jahr bei mehr als 70 Prozent, in China bei mehr als 60 Prozent und selbst in Südkorea noch bei rund einem Drittel. Dementsprechend sorgen steigende Kohlepreise in der Region für große Verunsicherung, zumal der Energiebedarf in Asien in den kommenden Jahren aufgrund eines zunehmenden Wohlstandsniveaus im globalen Vergleich am schnellsten wachsen dürfte.

Energiesicherheit versus Nachhaltigkeit

So wie viele westliche Volkswirtschaften stehen auch die Volkswirtschaften in Asien vor einem Dilemma. Auf der einen Seite muss die Energieversorgung für alle Bevölkerungsschichten und Regionen sichergestellt werden – auch um das Wachstumspotenzial auszuschöpfen. Dafür setzen trotz der gestiegenen Preise viele asiatische Länder auf die bewährte Kohle. Allein in China soll die Kohlekraftwerkskapazität bis zum Jahr 2031 um insgesamt 120 Gigawatt (GW) ausgebaut werden. Das entspräche mehr als der Hälfte der gesamten Kraftwerksleistung in Deutschland – über alle Energieträger hinweg. Auf der anderen Seite gilt es, die Ziele zur Dekarbonisierung der Wirtschaft zu erreichen, denen sich auch die meisten asiatischen Staaten verschrieben haben. In dieser Zwangslage scheint auch die Atomenergie für immer mehr asiatische Länder eine mögliche Lösung. Zu diesen zählt neben China, Indien und Südkorea, die allesamt neue Atommeiler bauen, rund elf Jahre nach der Atomkatastrophe im Kernkraftwerk Fukushima auch wieder Japan.

Erneuerbare Energien als langfristige Lösung

Stark investiert wird in Asien ebenfalls in den Ausbau klimaschonender erneuerbarer Energien (EE) – nicht zuletzt auch deshalb, um langfristig energiepolitisch autarker vom Rest der Welt zu werden: China will bis zum Jahr 2031 den Anteil von EE an seiner Stromerzeugung von heute 15 Prozent auf 26 Prozent ausbauen (ohne Wasserkraft), Indien von 11 auf 21 Prozent, Japan von 15 auf 23 Prozent und Südkorea von 7,5 auf 19,5 Prozent. Allein die chinesischen Pläne entsprächen einer Ausweitung der EE-Kapazität von rund 700 GW, in Indien wären es 200 GW. Der Großteil der Gelder dürfte zunächst in den Ausbau der Sonnenenergie fließen. Doch auch neuen Windkraftanlagen sollte eine große Bedeutung zukommen. Nach 2031 könnte die Windenergie sogar zur dominierenden EE-Quelle werden, da die technologische Entwicklung in diesem Bereich zu hoher Kosteneffizienz führen könnte, beispielsweise beim Bau von Offshore-Windparks. Diese erscheinen in den zum Teil sehr dicht besiedelten Ländern beziehungsweise Küstenregionen Asiens besonders vorteilhaft.

Insgesamt ist der asiatisch-pazifische Raum damit die Region mit den weltweit größten Investitionszuwächsen und dem höchsten geplanten Investitionsvolumen im Bereich erneuerbare Energien. Allein im Jahr 2021 stiegen die Ausgaben für EE dort um 38 Prozent auf 368 Milliarden US-Dollar, das entspricht rund 50 Prozent der weltweiten EE-Ausgaben.

„Massive Investitionen in erneuerbare Energien: Asiens dynamische Energiewende bietet interessante Anlagemöglichkeiten.“

Etablierte Unternehmen im Fokus der Anleger

Für Anleger könnten die Entwicklungen im Bereich erneuerbare Energien auf lange Sicht interessante Investmentmöglichkeiten eröffnen. Dabei scheint in diesem hoch dynamischen Markt eine Fokussierung auf etablierte Unternehmen – nicht nur aus Asien – ratsam. Denn nach Expertenschätzungen dürfte rund die Hälfte der Treibhausgaseinsparungen bis 2050 auf Technologien beruhen, die bereits heute kommerziell erfolgreich genutzt werden, etwa Wärmepumpen, Windkraftanlagen, Elektroautos oder Fotovoltaik. Insbesondere in diesen Bereichen zählen auch Unternehmen aus Europa und den USA zu den Weltmarktführern. Grundsätzlich könnte es sich für Anleger empfehlen, aufgrund der zum Teil hohen unternehmerischen Risiken im Bereich erneuerbare Energien eher auf Fondslösungen denn auf Anlagen in einzelnen Aktien zu setzen.

Aktuelle Marktkommentare erhalten Sie im täglichen Newsletter „PERSPEKTIVEN am Morgen“.

Redaktionsschluss: 18.10.2022, 18:00 Uhr