Mittelfristige Markttreiber: Investieren mit Weitblick

Netzer Johannes / Adobe Stock

Aktien – 26.10.2022

Mittelfristige Markttreiber: Investieren mit Weitblick

Die wichtigsten Fakten:
  • In Zeiten starker kurzfristiger Marktschwankungen kann sich für Anleger ein Blick auf mittelfristige Markttreiber lohnen. Diese könnten mit Sicht auf drei bis fünf Jahre interessantes Investmentpotenzial bieten.
  • Vor dem Hintergrund einer anhaltend hohen Inflation und steigender Staatsverschuldungen präferiert die Deutsche Bank dabei aus Portfoliosicht Aktien vor Anleihen.
  • Voraussetzung für die beschriebenen Wachstumsmöglichkeiten ist eine zumindest leichte Verbesserung der allgemeinen Investorenstimmung an den Finanzmärkten.

Klimawandel, Ressourcenknappheit, Inflation, geopolitische Spannungen – die Liste der aktuellen gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Herausforderungen ließe sich noch weiter fortsetzen. In diesem Umfeld erscheint vielen Anlegern die Gefahr einer globalen Finanzmarktkrise virulent. Zwar lässt sich diese Möglichkeit nicht vollends ausschließen. Allerdings könnten die nach wie vor soliden Rahmenbedingungen in den Industrieländern – sowohl auf staatlicher als auch auf unternehmerischer Seite – sowie die zuletzt deutlich gefallenen Aktienmarktbewertungen in einigen Bereichen auf mittlere Sicht auch interessante Investmentmöglichkeiten bieten.

In Erwartung einer erhöhten Inflation sowie steigender Staatsverschuldungen und damit eines möglichen weiteren Gegenwinds für Anleihen hoher Bonität setzt die Deutsche Bank ihren Schwerpunkt aus Portfoliosicht für die kommenden Jahre auf den Aktienmarkt. Herausfordernd dürften dabei vor allem eine anhaltend hohe Volatilität und die im Zuge steigender Zinsen erwarteten sinkenden Bewertungsniveaus sein. Dadurch dürften die Renditeerwartungen auf Gesamtmarktebene in Zukunft geringer ausfallen als in vergangenen Jahren. Umso wichtiger erscheint eine gezielte Auswahl einzelner Investmentbereiche und Unternehmen sowie insgesamt eine dynamische Asset-Allokation.

Im Fokus stehen dabei für die Deutsche Bank mittelfristige Markttreiber, in die – weitestgehend unabhängig von kurzfristigen Entwicklungen – in den kommenden drei bis fünf Jahren hohe staatliche und private Investitionen fließen könnten, sowie die damit in direkter Verbindung stehenden Unternehmen, die von einer zunehmenden Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen profitieren dürften.

Im Folgenden werden einige besonders interessant erscheinende mittelfristige Markttreiber vorgestellt, die sich drei Hauptthemen zuordnen lassen:

  • Ökonomischer Rahmen
  • Struktureller Wandel
  • Gesellschaftliche Umbrüche

Zu beachten ist dabei grundsätzlich, dass ein Erfolg entsprechender Anlagemöglichkeiten auch davon abhängt, dass sich in den kommenden Jahren ein zumindest leicht optimistischeres Investmentumfeld etablieren kann, in dem die fundamentalen Wirtschafts- und Unternehmensdaten wieder stärker in den Fokus genommen werden.

Produktivität

Ökonomischer Rahmen | Technologie und Forschung als Wachstumstreiber

  • Im Umfeld steigender Kosten gewinnen Produktivitätszuwächse an Bedeutung – und damit Anbieter, die dafür in Unternehmen die technischen Voraussetzungen schaffen beziehungsweise diese implementieren.
  • Mögliche Profiteure dieser Entwicklung kommen unter anderem aus den Bereichen Cloud-Computing, künstliche Intelligenz (KI) und Software, Biotechnologie, Halbleiter sowie Automatisierung.
  • Unternehmen aus den Bereichen erneuerbare Energien, Elektromobilität und Batterie profitieren von Forschungsinvestitionen und Produktivitätswachstum durch Skaleneffekte.

Eine höhere Produktivität, also die Steigerung des Outputs im Verhältnis zum Input, ist eine entscheidende Quelle für gesellschaftlichen Wohlstand. Im Umfeld des demografischen Wandels, des damit einhergehenden Arbeitskräftemangels und zunehmenden Lohndrucks sowie angesichts notwendiger Investitionen – etwa in die grüne Transformation der Wirtschaft – wird es für Unternehmen immer wichtiger, ihre Ressourcen effizienter einzusetzen, um Wettbewerbsfähigkeit und Margen zu verteidigen. Während in Schwellenländern das Wachstumspotenzial für die Produktivität in allen Sektoren gleichermaßen vorhanden ist, dürfte in den Industrieländern vor allem der Dienstleistungsbereich Potenzial bieten, etwa durch eine fortschreitende Digitalisierung oder die Möglichkeiten zur Verarbeitung immer größerer Daten.

Technologiegetriebenes Produktivitätswachstum

Bereich Wachstums-/Anlagemöglichkeiten Risiken
Cloud-Computing
  • Sehr großer, schnell wachsender Markt
  • Führt privates Vermögen der produktiven Nutzung zu
  • Erlaubt die Implementierung KI-getriebener Automatisierung im Dienstleistungssektor
  • Abnehmendes Wachstum und geringere Investitionen nach Abflauen der Corona-Pandemie
  • Regulatorischer Gegenwind für große Techfirmen (bzgl. Marktmacht, Steuern, Datensicherheit)
  • Ausbleibender Erfolg der Technologie, etwa im Hinblick auf Produktivitätssteigerung 
KI – Biotechnologie

Investments: Biotech, Big Pharma, Big Tech (Cloud-Computing), Venture-Capital-Fonds

  • Entwicklung neuer Medikamente und Behandlungsmethoden
  • Beschleunigung des Fortschritts in der medizinischen Forschung
  • Effizientere Erkennung/Diagnose von Krankheiten durch Bilderkennungsverfahren
  • Reduzierung der Gesundheitskosten mit Blick auf die demografische Entwicklung (alternde Bevölkerung)
  • Rückschläge durch Unfälle
  • Regulatorische Hürden
  • Langsamerer technologischer Fortschritt als erwartet
  • Verzögerungen bei Einführung der 5-G-Netze
  • Verdrängung von Arbeitsplätzen
KI – autonomes Fahren

Investments: Technologieanbieter und -nutzer. Software, Halbleiter, Cloud-Computing, 5G, Flottenbetreiber, Erstausrüster (OEMs)

  • Verringert die Auswirkungen des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels
  • Reduziert Transportkosten und erhöht Transportkapazitäten
  • Ermöglicht neue effiziente Geschäftsmodelle („shared economy“) und die Konsolidierung eines fragmentierten Marktes
  • Rückschläge durch Unfälle
  • Regulatorische Hürden
  • Langsamerer technologischer Fortschritt als erwartet
  • Verzögerungen bei Einführung der 5-G-Netze
  • Verdrängung von Arbeitsplätzen
Zukunft des Lernens

Investments: Aktien von Bildungsunternehmen

  • Ausbildung und Weiterbildung erhöhen Produktivität der Mitarbeitenden
  • Sehr großer Markt mit geringem Anteil öffentlicher Unternehmen
  • Wachsende Produktivität des Bildungssektors durch digitale Plattformen
  • Positive Auswirkungen auf strukturelle Arbeitslosigkeit
  • Beschleunigung der Ausgaben für geschäftliche Ausbildung
  • Regulatorische Einschränkungen (Beispiel China)
  • Qualität des E-Learnings noch weitgehend unbekannt
Industrielle Automatisierung – Robotik

Investments: Robotikunternehmen mit Absatzschwerpunkt Schwellenländer

  • Erwiesener Treiber der Produktivität
  • Wachsende Marktdurchdringung erwartet, insbesondere in Schwellenländern
  • Hohe Marktdurchdringung in Industrieländern begrenzt Wachstumsaussichten
  • Erwarteter starker Preisverfall für Roboter
  • Nachfrage nach „Cobots“ (kollaborierenden Robotern) unter den Erwartungen

Forschung und Entwicklung sowie skalengetriebenes Produktivitätswachstum

Bereich Wachstums-/Anlagemöglichkeiten Risiken
Saubere Technologien (Clean Tech)

Investments: Unternehmen mit komplexeren Geschäftsmodellen, zum Beispiel Installationsanbieter für integrierte Solarenergiesysteme, Marktführer und diversifizierte Unternehmen; Roh- und Grundstoffe für die Elektrifizierung; Nutzer sauberer Energien

  • Klimawandel
  • Steigerung der Produktivität aufgrund von Skaleneffekten und technologischem Fortschritt
  • Kostenvorteil gegenüber fossilen Brennstoffen für Nutzer – Steigerung der Produktivität
  • Langsamere Marktdurchdringung als erwartet
  • Begrenzte Kapazitäten
  • Hohe Rohstoffpreise
  • Geopolitische Risiken, insbesondere im Hinblick auf China als größten Produzenten
Elektromobilität / Batterien

Investments: Batterieproduzenten, Grundstoffe, OEMs, Ladelösungen

  • Großer Markt
  • Steigerung der Produktivität aufgrund von Skaleneffekten und technologischem Fortschritt
  • Kostenvorteil gegenüber fossilen Brennstoffen für Nutzer – Steigerung der Produktivität
  • Langsamere Marktdurchdringung als erwartet
  • Begrenzte Kapazitäten
  • Hohe Rohstoffpreise
  • Geopolitische Risiken, insbesondere im Hinblick auf China als größten Produzenten

Inflation

Ökonomischer Rahmen | Gekommen, um längerfristig zu bleiben

  • Die Inflationsraten in den USA und – etwas verzögert – auch in der Eurozone dürften innerhalb der kommenden Monate auf ihren Höchstständen für diesen Zyklus angekommen sein.
  • Viele Marktindikatoren deuten auf ein baldiges Absinken der Teuerungsraten hin, wobei die kurzfristige Inflationsentwicklung anhand von Umfragen unter Finanzmarktexperten zuletzt immer wieder nach oben korrigiert wurde.
  • Langfristig wird die Inflation sowohl von zyklischen, also konjunkturbedingten, als auch von strukturellen Faktoren bestimmt werden.

Zumindest in den USA – wo der Wirtschaftszyklus schon weiter fortgeschritten ist als in der Eurozone – dürfte die Inflation bereits auf kurze Sicht abnehmen. Die Eurozone sollte mit einigen Monaten Abstand folgen. Mittelfristig könnten aber sowohl in den USA als auch in der Eurozone die Teuerungsraten deutlich über den Vor-Corona-Niveaus und damit über der 2-Prozent-Marke verharren. Die Gründe dafür sind unter anderem struktureller Natur, etwa die Alterung vieler Gesellschaften, die abnehmende Dynamik der Globalisierung oder die grüne Transformation der Wirtschaft – Entwicklungen, die über lange Zeiträume mit hohen zusätzlichen Ausgaben verbunden sind. Die zukünftige Geldpolitik der Notenbanken wiederum dürfte sowohl von den genannten strukturellen als auch von zyklischen Faktoren beeinflusst werden.

Bereich Wachstums-/Anlagemöglichkeiten Risiken
Inflation allgemein
  • Höhere Inflation ist verbunden mit höheren Umsätzen
  • Sachwerte sollten profitieren
  • Anleger könnten von steigender Inflation und steigenden Inflationserwartungen profitieren, indem sie entweder in inflationsindexierte (Staats-)Anleihen oder in Anlagevehikel mit Break-even-Inflationsraten investieren, da die zugrunde liegenden Wechselkurse (Währungen) ebenfalls sehr empfindlich auf relative Inflations- und Zinsänderungen in verschiedenen Ländern reagieren
  • Immobilien können zumindest teilweise als Inflationsabsicherung gelten, wenn die Mietrenditen mit den Verbraucherpreisen Schritt halten
  • Rohstoffe waren die einzige Anlageklasse, die in der Phase hoher Inflation von 1970 bis 1980 verlässlich positive Realrenditen generieren konnte. Insofern könnten Rohstoffe in Zeiten hoher Inflation als opportunistisches Investment gelten.
  • Eine höhere Inflation bewirkt eine Abnahme der Deflationssorgen der vergangenen Jahre und bietet somit möglicherweise einen größeren Anreiz für Unternehmensinvestitionen
  • Für Staaten kann eine hohe Inflation in Verbindung mit einem zunehmenden nominalen Wachstum die Schuldenquote (Schuldenstand im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt) deutlich senken – grundsätzlich findet eine Umverteilung von Gläubigern bzw. Sparern zugunsten der Schuldner statt
  • Niedrige bzw. negative Realzinsen wirken sich grundsätzlich positiv auf die Entwicklung der Finanzmärkte aus. Höhere Inflationsraten können Notenbanken mehr Spielraum für die Bewältigung zukünftiger Krisen gewähren.
  • Hohe und schwankende Inflation sorgt für Verunsicherung – insbesondere bei Unternehmen und Arbeitnehmern
  • Assetklassen mit festen nominalen Auszahlungen (z. B. Anleihen) werden an Wert verlieren
  • Zinsrisiken steigen, da höhere Inflation häufig mit höheren Zinsen einhergeht
  • Hohe Inflation kann zu Währungsabwertungen führen sowie zu einer Verschlechterung der Terms of Trades (Exportpreisniveau im Vergleich zum Importpreisniveau eines Landes)

Verschuldung

Ökonomischer Rahmen | Gesunde Länder und Unternehmen im Fokus

  • Steigende Zinsniveaus bedeuten Gegenwind für die Refinanzierung sowohl für Staaten als auch für Unternehmen.
  • Solange die Raten des nominalen Wachstums einer Volkswirtschaft über den Renditen ihrer ausstehenden Anleihen liegen, dürfte die Verschuldung nicht zum Problemfall werden.
  • Stark verschuldete Unternehmen könnten zunehmend unter den sich verschlechternden Refinanzierungskonditionen leiden.

Mit der Rückkehr der Zinsen im laufenden Jahr ist auch die Schuldenproblematik vor allem auf Länderebene wieder in den Fokus der Marktteilnehmer gerückt: Zur Abfederung der Auswirkungen pandemiebedingter Lockdowns hatten viele Industrieländer schuldenfinanzierte Fiskalpakete aufgelegt, die ihren Verschuldungsgrad im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung in die Höhe schnellen ließ. Noch ist in vielen Regionen das Wirtschaftswachstum zwar robust. Dies kann sich in Zukunft jedoch jederzeit ändern. Auf Unternehmensebene ist aufgrund der niedrigen Zinsniveaus in den vergangenen Jahren und der damit einhergehenden sinkenden Finanzierungskosten ein deutlicher Anstieg unprofitabler Unternehmen zu beobachten gewesen. Diese „Zombiefirmen“ sind unter anderem durchschnittlich eher klein, weniger produktiv, höher verschuldet – und damit ähnlich wie hoch verschuldete Länder anfälliger für steigende Zinsen. Aus Portfoliosicht könnte es für Anleger daher ratsam erscheinen, mögliche Engagements am Kapitalmarkt zunächst auf ihre Resistenz gegenüber strukturell steigenden Zinsen abzuklopfen.

Bereich Wachstums-/Anlagemöglichkeiten Risiken
Verschuldung allgemein
  • Staaten mit einer niedrigeren Schuldenquote (Schuldenstand im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt) sollten sich wirtschaftlich besser entwickeln können, da sie zu größerer Produktivität tendieren und besser auf (wirtschaftliche) Krisen reagieren können. Insofern sollten sich Staatsanleihen entsprechender Regionen besser entwickeln können.
  • In einem Umfeld strukturell steigender Zinsen sollten Unternehmen mit soliden Bilanzen und besseren Verschuldungsquoten begünstigt sein
  • Eine höhere Staatsverschuldung kann zu niedrigeren Wachstumsraten führen, da die Möglichkeiten für Investitionen und auf Krisen zu reagieren damit sinken
  • Hoch verschuldete Unternehmen sind kleiner und weniger produktiv, haben weniger Hebelkräfte und investieren weniger in materielles und immaterielles Kapital. Zudem schrumpfen ihre Vermögenswerte und ihre Belegschaft.
  • Eine hohe Zinsabhängigkeit macht Staaten und Unternehmen anfälliger für nicht beeinflussbare äußere Einflüsse

USA-China-Konflikt

Struktureller Wandel | Der Kampf um die globale Vorherrschaft

  • Der Trend einer politischen, ökonomischen und sozialen Konvergenz innerhalb der Weltgemeinschaft scheint sich weiter abzuschwächen.
  • Die USA und China entwickeln sich immer mehr zu direkten Konkurrenten um die globale Vorherrschaft in Bereichen wie Technologie, Sicherheit, Finanzmärkte und Unternehmenskultur.
  • Japan und die Eurozone sowie der Rest der Welt ergreifen Möglichkeiten in beiden Welten. Sie laufen mitunter aber auch Gefahr, im Konflikt der beiden Supermächte zwischen die Stühle zu geraten.

In den vergangenen Jahren haben sich die Entwicklungen hin zu einer Abschwächung der Globalisierungsdynamik sowie einem wirtschaftlichen und politischen Auseinanderdriften einzelner Regionen verstärkt. Insbesondere die beiden weltweit größten Volkswirtschaften USA und China stehen in vielen Bereichen mehr denn je in direkter Konkurrenz zueinander – und verfolgen ihren eigenen Weg –, während sich der Rest der Welt immer häufiger für eine Seite entscheiden muss. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist in der Abhängigkeit der einzelnen Volkswirtschaften von internationalen Handelsbeziehungen zu finden: Die Wirtschaftsleistung der USA beispielsweise wird zu rund 70 Prozent im eigenen Land erwirtschaftet – das ist der höchste Anteil unter den Industrieländern. Im Vergleich: Nur 45 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Eurozone wird in Europa erzielt. Chinas heimischer Markt trägt sogar zu 85 Prozent des BIP bei. Gleichzeitig ist das Reich der Mitte aber auch der größte Exporteur weltweit. Diese Rückbesinnung auf die eigene Stärke und das wachsende Misstrauen gegenüber dem Konkurrenten schafft Herausforderungen, kann gleichzeitig auf lange Sicht aber in vielen Bereichen und Regionen auch interessante Anlagemöglichkeiten eröffnen.

Bereich Wachstums-/Anlagemöglichkeiten Risiken
Luxusgüter
  • Gute Chancen zum Ausbau globaler Marktanteile bei eher geringer Abhängigkeit von Technologie- oder Datentransfers
  • Keine oder nur geringe Auswirkungen auf Investments im Hinblick auf erwartete Spannungen, insofern keine Daten- oder Technologietransfers involviert sind
  • Schlimmstenfalls Zölle oder Sanktionen
Cybersicherheit
  • Erwartete Mehrausgaben für Cybersicherheit in Höhe von weltweit 1,75 Billionen US-Dollar bis 2025. Treiber sind auf der einen Seite „Zero Trust“-Umgebungen wie Homeoffice oder Internet of Things, die eine einwandfreie Authentifizierung erfordern, auf der anderen Seite eine steigende Zahl von Cyberattacken.
  • Keine oder nur geringe Auswirkungen auf Investments im Hinblick auf erwartete Spannungen. Im besten Fall könnten zunehmende Spannungen insbesondere regionale Marktführer stützen.
E-Commerce
  • Eine Vielzahl regionaler Marktführer mit begrenztem internationalen oder globalem Wettbewerb sowie Potenzial zur regionalen Marktdurchdringung (zwischen +2 Prozent und +8 Prozent)
  • Keine oder nur geringe Auswirkungen auf Investments im Hinblick auf erwartete Spannungen; Wettbewerb nur zwischen regionalen Marktführern in den jeweiligen Märkten
Cloud-Computing
  • Das Marktforschungsunternehmen Gartner Group erwartet eine Verdopplung des Marktes in den kommenden drei Jahren
  • Wichtige Technologie für beinahe jede Art der Datenverarbeitung, -analyse und -speicherung
  • Globales Wachstumspotenzial könnte durch unterschiedliche Regulatorik für die Datenverarbeitung in verschiedenen Regionen sowie für den internationalen Datentransfer begrenzt sein
Internet of Things
(IoT) / Industrie 4.0
  • Zunehmende Geschäfte mit europäischen Technologieführern
  • China könnte Technologieführerschaft übernehmen und die USA in zwei Jahren als größten Markt ablösen
  • Chancen für risikobewusste Investoren vor allem in China
  • Das Angebot globaler Lösungen könnte aufgrund von Restriktionen für den Technologie- oder Datentransfer sowie unterschiedlicher technischer Standards begrenzt sein, was die Margen der Unternehmen schmälern könnte
  • Das Angebot unterschiedlicher Lösungen für verschiedene Absatzmärkte könnte erforderlich sein
  • Im schlimmsten Fall könnten Anbieter den Zugang zu bestimmten Märkten verlieren
Halbleiter
  • Große Budgets für Reshoring- und Nearshoring-Strategien (Rückverlagerung der Produktion in den oder in die Nähe des Heimatmarktes)
  • Digitalisierung stützt hohe Nachfrage
  • Für Investoren mit niedrigem Risikoappetit
  • Sektor steht im Zentrum des USA-China-Konflikts
  • US-Anbieter für hoch entwickelte Halbleiter könnten aufgrund von Export- und Investitionsbeschränkungen sowie Zöllen und Embargos Marktanteile in China verlieren

Klimawandel

Struktureller Wandel | Von „Möglichmachern“ und „Anpassern“

  • Zu unterscheiden sind in diesem Bereich zwei Arten von Unternehmen: solche, die Technologien entwickeln und umsetzen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen („Enablers“ oder „Möglichmacher“), und solche, die Lösungen für klimabedingte Probleme anbieten („Adaptors“ oder „Anpasser“).
  • Das Marktvolumen beider Bereiche wird über die kommenden Jahrzehnte jeweils auf mehrere Billionen US-Dollar geschätzt.
  • Während Aktien der „Enabler“ aufgrund zuletzt stark gesunkener Kurse interessante Einstiegschancen bieten könnten, bietet sich Anlegern im vergleichsweise jungen Feld der „Adaptors“ die Chance, früh in einen dynamischen, zukunftsweisenden Markt einzusteigen.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Folgen des Klimawandels könnten die globale Wirtschaftsleistung bis 2050 um 11 bis 14 Prozent dämpfen1, rund 1,2 Milliarden Menschen ihre Heimat verlieren lassen2 und schon bis 2030 100 Millionen Menschen, allen voran in Entwicklungsländern, in Armut stürzen3. Entsprechend groß sind die Anstrengungen weltweit, diesen Entwicklungen Einhalt zu gebieten. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass allein bis 2050 insgesamt 150 Billionen US-Dollar nötig sein werden, um den globalen Netto-CO2-Ausstoß auf null zu drücken. Hinzu kommen nach Prognosen der Weltbank bis zu 500 Milliarden US-Dollar jährlich für notwendige Anpassungsmaßnahmen, etwa beim Küstenschutz, bei der Wasserversorgung oder im Agrarbereich. Für Anleger könnte dieses Investitionsumfeld interessante Investmentmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen eröffnen. Trotz der Underperformance in den vergangenen Jahren gilt dies vor allem mittel- und langfristig auch für die „Enabler“ – etwa Unternehmen aus den Bereichen erneuerbare Energien und Elektromobilität. Zumal sich der Fokus der politischen Entscheidungsträger in jüngster Zeit im Umfeld der Energiekrise und der hohen Inflation verstärkt auf diesen Bereich zu richten scheint.

1 Swiss Re; 2 Institute for Economics and Peace; 3 Global Commission on Adaptation

Bereich Wachstums-/Anlagemöglichkeiten Risiken
Ermöglichung der Klimaneutralität (Enabler)
  • Weltweite Klimaneutralität bis 2050 erfordert Investitionen in Höhe von 150 Billionen US-Dollar
  • Vielfältige Möglichkeiten rund um sich veränderndes Konsumverhalten, Umweltschutz, erneuerbare Energien, E-Mobilität, Kreislaufwirtschaft, CO2-Capturing, Ernährung
  • Investments über Einzeltitel, Fonds oder Venture-Capital
  • Hohe Bewertungen entsprechender Aktien – langfristige Erwartungen könnten bereits am Markt eingepreist sein
  • Zinssensible Sektoren
  • Politische Risiken
  • Begrenzte Anzahl von Unternehmen, die in nur einem Bereich tätig sind (Pure Plays)
Anpassung an den Klimawandel (Adaptors)
  • Anbieter technischer Lösungen zur Vorbereitung städtischer Infrastrukturen auf Naturkatastrophen (Überflutungen, Stürme)
  • Anbieter von Lösungen zur Verringerung des Trinkwassermangels (Entsalzung, Abwasseraufbereitung, Regenwassersammlung, Bewässerungstechnologien)
  • Hersteller von Klimaanlagen (Schutz der Bevölkerung bei Hitzewellen)
  • IT-Firmen, die Software zur Katastrophenwarnung bereitstellen
  • Innovative Unternehmen der Agrarwirtschaft (Entwicklung ertragreicherer Nutzpflanzen)
  • Hohe Bewertungen entsprechender Aktien – langfristige Erwartungen könnten bereits am Markt eingepreist sein
  • Zinssensible Sektoren
  • Politische Risiken
  • Begrenzte Anzahl von Unternehmen, die in nur einem Bereich tätig sind (Pure Plays)

Demografie

Gesellschaftliche Umbrüche | Steigende Nachfrage durch das Wachstum der Weltbevölkerung

  • Die Vereinten Nationen gehen in ihrem aktuellen „World Population Prospects 2022“-Report von einem, wenn auch verlangsamten, weiteren Wachstum der Weltbevölkerung zumindest bis ins Jahr 2100 aus.
  • Gesundheit, Immobilien, Finanzdienstleistungen, Konsumgüter, Kommunikation, Energie – nur einige der Branchen, die von globalen demografischen Faktoren profitieren könnten.
  • Die demografischen Entwicklungen bieten langfristig orientierten Anlegern eine Vielzahl interessanter Investmentmöglichkeiten – mit sektorspezifischen Risiken.

Die Vereinten Nationen (UN) erwarten1 bis 2050 einen Anstieg der Weltbevölkerung von derzeit 8 auf 9,7 Milliarden und bis 2100 sogar auf 10,4 Milliarden Menschen. Gleichzeitig dürfte die durchschnittliche Lebenserwartung weltweit bis 2050 steigen: von derzeit rund 73 Jahre auf mehr als 77 Jahre. Dadurch stiege der Anteil von Menschen über 65 Jahre von 10 Prozent auf 16 Prozent. Betroffen von dieser Alterung der Gesellschaften sind vor allem Länder, in denen sich das Bevölkerungswachstum verlangsamt hat oder sogar rückläufig ist – hier könnte der Gesundheits-, aber auch der Immobilien-, Finanz- und Tourismussektor interessante Perspektiven für Anleger bieten. Länder und Regionen, deren Bevölkerung hingegen weiter stark wachsen dürfte – vor allem Indien, Südostasien und Afrika –, könnten auch wirtschaftlich zu den zukünftigen Wachstumszentren der Welt gehören. 2050 wird es nach Einschätzung der UN beispielsweise mehr Nigerianer als US-Amerikaner geben. In diesen „Wachstums-Hubs“ erscheint das Potenzial für Unternehmen aus den Bereichen Konsum, Kommunikation, digitale Finanzdienstleistungen oder Energie besonders groß.

1 World Population Prospects 2022

Bereich Wachstums-/Anlagemöglichkeiten Risiken
Demografie allgemein
  • Bis 2030 großes Wertsteigerungspotenzial für die Sektoren Gesundheit (rund 40 Mrd. US-Dollar), Immobilien (mehr als 100 Mrd. US-Dollar), Finanzdienstleistung (rund 600 Mrd. US-Dollar), Konsum (rund 730 Mrd. US-Dollar), Kommunikation (rund 280 Mrd. US-Dollar), Energie (vorzugsweise erneuerbare, rund 250 Mrd. US-Dollar) sowie Industrie und Informationstechnologie (jeweils mehr als 50 Mrd. US-Dollar)
  • Wachstumspotenzial auch für die Bereiche Zukunft des Lernens, Biotech, Automation, Reise und Touristik sowie Personaldienstleistung
  • Um das Produktivitätsniveau Afrikas auf das der asiatischen Länder zu bringen, müssen gewaltige Herausforderungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Infrastruktur bewältigt werden
  • Dem erforderlichen Unterricht einer zunehmenden Zahl von Kindern und jungen Menschen könnte ein Mangel an Lehrkräften gegenüberstehen
  • Gelingt es insbesondere afrikanischen Ländern nicht, den Wohlstand ihrer Bevölkerung deutlich zu erhöhen, könnte dies zu einer neuen Migrationswelle in Richtung Europa führen

Soziale Unruhen

Gesellschaftliche Umbrüche | Gesellschaftliche Sicherheit schafft wirtschaftliche Stabilität

  • In eher offenen und demokratischen Gesellschaften haben soziale Konflikte einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Aktienmarktrenditen.
  • In autoritär regierten Ländern fallen die Aktienmarktrenditen drei Tage nach dem Ausbruch sozialer Unruhen um durchschnittlich 2 Prozent und im darauffolgenden Monat um 4 Prozent.
  • Weniger Unsicherheiten bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung: Für Anleger scheint es ratsam zu sein, bei

Investments solche Länder auszuwählen, die über hohe Governance-Standards und einen sich dynamisch entwickelnden Privatsektor verfügen.

Das Ausmaß sozialer Unruhen weltweit fand Ende 2019 seinen vorläufigen Höhepunkt, bevor die staatlichen Kontaktbeschränkungsmaßnahmen im Zuge der Coronavirus-Pandemie zu einer drastischen Abnahme führten.1 Mit Beginn der Corona-Lockerungen haben sich die Unruhen jedoch wieder verstärkt. Laut dem Internationalen Währungsfonds können soziale Unruhen der Wirtschaft eines Landes oder einer Region nachhaltig schaden: Beispielsweise war nach einem entsprechenden Konflikt über sechs Quartale eine Abnahme des Bruttoinlandsprodukts von 0,2 bis 1 Prozentpunkten zu beobachten – getrieben sowohl durch eine Angebots- als auch Nachfrageschwäche, wobei zyklische Sektoren mit hohem Umsatzanteil im Inland die Hauptlast trugen. Insbesondere in autoritären Volkswirtschaften kam es dabei auch zu einem teils deutlichen Abschwung am jeweiligen Aktienmarkt: Institutionen scheinen dort weniger anpassungsfähig an soziale Probleme zu sein, was die Befürchtungen von Investoren zu verstärken scheint. Ebenso erscheinen Märkte mit einem hohen Anteil staatlich kontrollierter Unternehmen anfälliger für einen Wandel der politischen Landschaft.

1 Internationaler Währungsfonds (IMF): Reported Social Unrest Index (RSUI)

Bereich Wachstums-/Anlagemöglichkeiten Risiken
Soziale Unruhen allgemein
  • In Ländern mit eher offenen und demokratischen Strukturen ist der Einfluss möglicher sozialer Unruhen auf die Aktienmärkte vernachlässigbar
  • Hohe Standards für die Unternehmensführung (Governance) und die Entwicklung des privaten Sektors führen zu geringeren Unsicherheiten bei der Entscheidungsfindung von Investoren
  • Sollten soziale Unruhen zu Lieferkettenstörungen führen, könnten sich daraus Chancen für alternative Lieferanten aus stabileren Ländern ergeben. Das könnte im Falle einer durch soziale Unruhen bedingten Unterbrechung der Kupferexporte aus Chile zum Beispiel Australien oder Indonesien betreffen.
  • Beim Ausbruch sozialer Unruhen in autoritär regierten Staaten fallen die Erträge am jeweiligen Aktienmarkt in der Regel binnen dreier Tage um 2 Prozent und binnen eines Monats um 4 Prozent
  • Die Kombination einer anhaltend hohen Inflation mit einem getrübten strukturellen Wirtschaftsausblick, steigenden Arbeitslosenzahlen und sinkenden Reallöhnen kann das Risiko sozialer Unsicherheiten erhöhen, insbesondere in Teilen Zentral- und Osteuropas, des Mittleren Ostens und Afrikas sowie Lateinamerikas
  • Wenn es in global bedeutenden rohstoffexportierenden Ländern zu sozialen Unruhen kommt, kann das zu globalen Lieferkettenproblemen führen. Das gilt zum Beispiel im Falle Chiles für Kupfer.

Aktuelle Marktkommentare erhalten Sie im täglichen Newsletter „PERSPEKTIVEN am Morgen“.

Redaktionsschluss: 25.10.2022, 12:00 Uhr