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Der Einfluss der Digitalisierung auf unser Leben und Arbeiten ist schon heute groß. In naher Zukunft dürfte er weiter zunehmen und könnte langfristig in eine cyber-physische Welt führen, in der die digitale Informationsebene, die physische Realitätsebene und die räumliche Interaktionsebene miteinander verschmelzen, um eine interaktive, personalisierte und immersive Erfahrung zu schaffen.1 Dabei werden unsere täglichen Interaktionen mit greifbaren Umgebungen (physische Ebene) durch IoT-Geräte (IoT = Internet of Things, Internet der Dinge), Sensoren und Aktoren ergänzt. Letztere sammeln Daten und interagieren mit der digitalen Informationsebene, die für die Speicherung digitaler Duplikate physischer Objekte durch Sensorisierung und Digital Mapping verantwortlich ist. Inhalte können über Dashboards und Displays, Brain-Computer-Interfaces (BCI) sowie Augmented und Virtual Reality (AR/VR) betrachtet werden. Die räumliche Interaktionsebene wiederum integriert die physische und die digitale Ebene, indem sie kontextbezogene Echtzeitdaten bereitstellt, die über verschiedene Signale wie Sprache, Computer Vision und Gesten zugänglich sind.

„Digitalisierung – die Zukunft ist cyber-physisch: notwendige technologische Innovationen vorausgesetzt.“

Für die Implementierung einer funktionierenden cyber-physischen Welt sind Fortschritte vor allem in drei Bereichen2 notwendig:

  1. Interaktionstechnologien, die durch ausgefeilte Schnittstellen immersive Erlebnisse ermöglichen. Dabei dürften AR und VR nebeneinander existieren. AR integriert Elemente wie Texte, Bilder und Animationen, indem digitale Daten in die physische Umgebung eingebettet werden. VR ermöglicht den Zugang zu einer vollständig virtuellen Umgebung, die die physische Welt ersetzt. Ein BCI kann auch einen direkten Kommunikationskanal zwischen dem Gehirn und einem externen Gerät herstellen, um sensomotorische oder kognitive Funktionen zu verbessern. BCI können nichtinvasiv oder invasiv sein, und ihre größte Herausforderung besteht darin, komplexe neuronale Signale präzise in Echtzeitaktionen umzusetzen.
  2. Infrastrukturtechnologien, die die notwendige Rechenleistung und Konnektivität bereitstellen. Sie dürften sich auf das Edge Computing stützen, ein verteiltes Rechnersystem, das die Berechnungen näher an den Ort des Bedarfs bringt und so die Reaktionszeiten und die Bandbreite verbessert. Dieser Ansatz ist besonders vorteilhaft für Echtzeitanwendungen wie IoT-Geräte, autonome Fahrzeuge und Smart-City-Technologien. 6G – eine weitere Infrastrukturtechnologie – soll zuverlässige, schnelle Datengeschwindigkeiten und geringere Latenzzeiten als sein Vorgänger bieten. Zu den erwarteten Fortschritten der 6G-Technologie gehören höhere Frequenzbänder, verbesserte Netzeffizienz sowie Unterstützung für neue Anwendungen wie AR/VR, holografische Kommunikation und IoT. Mit der Einführung von 6G wird um das Jahr 2030 herum gerechnet.3 Aufgrund des chinesischen Verbots ausländischer 5G-Technologien4 und der Verbote vieler westlicher Länder, chinesische 5G-Technologien auf ihren heimischen Märkten zu nutzen, sind jedoch verschiedene 6G-Technologien möglich.5 6G-Netze sind zunehmend anfällig für unterschiedliche Standards und Fragmentierung.6
  3. Datenverwaltungstechnologien, die mithilfe von Blockchain- und P2P-Technologien einen sicheren und effizienten Service gewährleisten. Bei dezentralen Blockchains wird die Integrität und Sicherheit der Daten durch die Distributed-Ledger-Technologie geschützt, die Transaktionen über mehrere Computer hinweg sicher aufzeichnet. Die P2P-Technologie erhöht die Sicherheit und senkt die Ausfallwahrscheinlichkeit, indem sie den direkten Datenaustausch zwischen vernetzten Systemen ermöglicht, ohne auf einen zentralen Server angewiesen zu sein. Blockchain- und P2P-Technologien können sichere und transparente Systeme für das Lieferkettenmanagement, die Identitätsüberprüfung und die Abstimmung ermöglichen.

Digitalisierungsbeispiel ESG-Datenerhebung

Eine zuverlässige und zeitnahe Datenerfassung ist für die Integration von Nachhaltigkeits- bzw. ESG-Kriterien in Geschäftsprozesse, eine transparente Berichterstattung und die Entscheidungsfindung unerlässlich. Sie ermöglicht es Unternehmen, ihre ESG-Performance schneller und detaillierter zu überwachen, Lücken zu identifizieren, ihre Leistungen mit denen anderer Unternehmen zu vergleichen, Ressourcen gezielt zuzuweisen und schließlich das Vertrauen der Stakeholder zu gewinnen.

Ein Schritt in diese Richtung ist die kontinuierliche Sensorisierung. An Geräten angebrachte Sensoren generieren Daten, die in Echtzeit verfügbar sind und somit eine geeignete Datenquelle für ESG-Indikatoren darstellen. Automatisierte ESG-Berichtsprozesse können den Zeit- und Ressourcenaufwand für die Datenerhebung und -analyse reduzieren und so die Effizienz steigern.

Es gibt bereits heute einige erfolgreiche Beispiele:

  1. Intelligente Abfallentsorgungssysteme nutzen RFID-Etiketten, Sensoren, Aktoren, drahtlose Sensornetzwerke, Nahfeldkommunikation, GPS und verschiedene andere Methoden der automatischen Datenerfassung, um Abfallmengen zu überwachen und ferngesteuert zu entsorgen.
  2. Intelligente Energiesysteme ermöglichen eine Echtzeitüberwachung des Energieverbrauchs und eine zentralisierte Fernwartung, wodurch Betriebskosten und Umweltbelastung reduziert werden können.
  3. IoT-Lösungen überwachen Luft- und Wasserqualität sowie die Bodenfeuchtigkeit. Bestehende Anlagen können drahtlose Sensoren und vernetzte Geräte nutzen, die Informationen an eine zentrale Datenbank oder eine Cloud-Plattform übermitteln.

Quellen

1 Deloitte (2019). The Spatial Web and Web 3.0. Abgerufen unter: https://www2.deloitte.com/content/dam/insights/us/articles/6645_Spatial-web-strategy/DI_Spatial-web-strategy.pdf 
2 Gabriel René and Dan Mapes, The Spatial Web: How Web 3.0 Will Connect Humans, Machines, and AI to Transform the World (2019).
3 ITU (2023). ITU advances the development of IMT-2030 for 6G mobile technologies. Abgerufen unter: https://www.itu.int/en/mediacentre/Pages/PR-2023-12-01-IMT-2030-for-6G-mobile-technologies.aspx 
4 LightReading. Ericsson and Nokia are nearer to the endgame in China. Abgerufen unter: https://www.lightreading.com/5g/ericsson-and-nokia-are-nearer-to-the-endgame-in-china 
5 The New York Times (2019). ‘Prospective Threat’ of Chinese Spying Justifies Huawei Ban, U.S. Says. Abgerufen unter: https://www.nytimes.com/2019/07/05/technology/huawei-lawsuit-us-government.html 
6 IEEE Spectrum (2021). 6G Is Years Away, but the Power Struggles Have Already Begun. Abgerufen unter: https://spectrum.ieee.org/6g-geopolitics

Glossar

  • Augmented Reality/Virtual Reality (AR/VR) bezieht sich auf computergenerierte Simulationen, die die reale Welt integrieren (AR) oder völlig eigenständig sind (VR). Bei AR-Anwendungen können Sie sich in der realen Welt bewegen. Bei VR müssen Sie am selben Ort bleiben, da Sie Ihre Umgebung nicht sehen können.
  • Brain-Computer-Interfaces (BCI) ermöglichen eine direkte Informationsübertragung zwischen einem organischen Gehirn und einem technischen Schaltkreis. Durch das Auslesen von Gedanken bzw. mentalen Befehlen können sie als neurotechnologische Eingabesysteme eine sprach- und bewegungsunabhängige Maschinensteuerung vermitteln.
  • Eine Blockchain ist eine digitale Datenbank, die Informationen enthält, die innerhalb eines großen dezentralen, öffentlich zugänglichen Netzwerks gleichzeitig genutzt und geteilt werden können. Sie ist definiert als ein Hauptbuch mit dezentralisierten Daten, die sicher geteilt werden.
  • Cloud-Computing liefert modernste Computertechnologie über das Internet gegen eine feste, wiederkehrende Gebühr. Es verarbeitet Daten in zentralisierten Rechenzentren auf der ganzen Welt. Edge Computing verarbeitet Daten näher an der Quelle, typischerweise am Rande des Netzwerks oder in lokalen Geräten. Es wird für die Verarbeitung zeitkritischer Daten verwendet.
  • Internet of Things (IoT) bezeichnet die Vernetzung von in Alltagsgegenständen eingebetteten Computergeräten über das Internet, sodass diese Daten senden und empfangen können.
  • In der IT ist die Latenzzeit die Zeit, die ein System oder eine Funktionseinheit benötigt, um auf eine bestimmte Eingabe zu reagieren.
  • Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) misst den aktuellen Aktienkurs eines Unternehmens im Verhältnis zu seinem Gewinn pro Aktie.
  • Künstliche Intelligenz (KI) ist die Theorie und Entwicklung von Computersystemen, die in der Lage sind, Aufgaben auszuführen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern, wie z. B. visuelle Wahrnehmung, Spracherkennung, Entscheidungsfindung und Übersetzung zwischen Sprachen.
  • Memory-Speicher arbeiten mit einer höheren Geschwindigkeit als Speicher, sind aber teurer und haben eine geringere Kapazität.
  • Ein Solid-State-Laufwerk/Solid State Drive (SSD) verwendet integrierte Schaltkreise zur dauerhaften Speicherung von Daten. Im Vergleich zu elektromechanischen Laufwerken sind SSDs in der Regel widerstandsfähiger gegen physische Stöße, laufen geräuschlos und haben höhere Eingabe-/Ausgabeoperationen pro Sekunde und eine geringere Latenzzeit.
  • USD ist der Währungscode für den US-Dollar.
  • Die Volatilität eines finanziellen Vermögenswerts ist das Ausmaß der Schwankungen seiner Handelspreisreihen im Laufe der Zeit. Sie wird in der Regel anhand der Standardabweichung der logarithmischen Renditen vom Durchschnittswert des Vermögenswerts gemessen.
  • Wachstumsaktien sind Aktien von Unternehmen, die wahrscheinlich ein überdurchschnittliches Gewinn- oder Umsatzwachstum erzielen werden.
  • In der Telekommunikation ist 5G der Technologiestandard der fünften Generation für Mobilfunknetze, mit dessen weltweiter Einführung die Mobilfunkunternehmen im Jahr 2019 begonnen haben. Er ist der Nachfolger der 4G-Technologie, mit der die meisten aktuellen Mobiltelefone verbunden sind. Sein Nachfolger ist 6G, der Technologiestandard der sechsten Generation für Mobilfunknetze.

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Redaktionsschluss: 27. Februar 2024, 15 Uhr