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Die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten am 5. November 2024 rückt zunehmend in den Fokus der globalen Finanzmärkte. Auf außenpolitischer Ebene dominieren im beginnenden Wahlkampf die Militärhilfen für die Ukraine und Israel sowie die Entwicklung der Beziehung zu China. Mit Blick auf die US-Innenpolitik stehen aktuell die hohen Staatsausgaben und die Entwicklung der US-Wirtschaft im Umfeld sinkender Verbraucherpreise im Mittelpunkt. Die US-Wirtschaft zeigt sich noch recht resilient, jedoch sinken die Sparrücklagen und die Stimmung der Verbraucher, während geopolitische Sorgen an medialer Relevanz zu gewinnen scheinen. Der Anstieg der Arbeitslosenquote war zuletzt zwar gering (3,9 Prozent gegenüber 3,8 Prozent im Vormonat), birgt jedoch das Risiko längerfristig höherer Arbeitslosigkeit in den USA.

Präsident, Senat, Haus – so ist der Stand

Die fünf Swing States Arizona, Georgia, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin dürften auch im Jahr 2024 eine entscheidende Rolle beim Ausgang der Präsidentenwahl spielen. Sie haben zusammengenommen 62 Stimmen im Electoral College und – angesichts 270 benötigter Stimmen für einen Sieg – großes Gewicht. Der damalige demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden gewann diese Staaten 2020 teilweise nur sehr knapp. Bei den gleichzeitig stattfindenden Senatswahlen stehen 34 der 100 Sitze zur Wahl, wobei Demokraten aktuell 23 dieser neu zu wählenden Sitze halten. Insgesamt benötigen die Republikaner nur zwei zusätzliche Sitze, um die Mehrheit im Senat zu erringen. Sollten die Republikaner die Präsidentenwahl gewinnen, reicht angesichts der Stimme des Vizepräsidenten dafür bereits ein dazugewonnener Senatssitz.

Im Repräsentantenhaus werden am 5. November alle 435 Sitze neu gewählt. Hier stehen aktuell 221 Republikaner 213 Demokraten gegenüber. Das bedeutet, dass die Demokraten fünf Sitze von den Republikanern gewinnen müssten, um die Kontrolle über die zweite Kammer des Kongresses zu erlangen. 25 der Sitze gelten dabei als besonders hart umkämpft.

Darauf kommt es 2024 bei den Wahlen an

Bidens dreisäuliger „Bidenomics”-Wachstumsplan – öffentliche Investitionen, Stärkung der Mittelklasse, Förderung des Wettbewerbs – hat in den vergangenen drei Jahren an Momentum gewonnen. Hohe Summen flossen in den Ausbau erneuerbarer Energien und die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur. Insgesamt wurden 13 Millionen neue Jobs geschaffen und ein Rekord an Firmengründungsanträgen erreicht. Der pandemiebedingte Wirtschaftseinbruch wurde erfolgreich überwunden, wobei die Fed im Kampf gegen die Inflation jüngst weitere Erfolge verzeichnen konnte. Eine zweite Amtszeit Bidens dürfte diese Politik weiter forcieren.

Die Unterstützung der US-Industrie und die Schaffung neuer Jobs dürfte eines der zentralen Themen der anstehenden Wahlen sein. Nach der Einführung immer neuer Zölle in der Amtszeit Donald Trumps hat Joe Biden seit 2020 vor allem das „Reshoring“, also die Rückverlagerung von Industriezweigen und Lieferketten ins eigene Land, zu stimulieren versucht. Darüber hinaus könnten das „Friendshoring“, also die Konzentration von Lieferketten auf befreundete Staaten, sowie wachsende geopolitische Bedenken noch stärker in den Fokus rücken.

Ein weiterer wichtiger Punkt bei den Wahlen 2024 könnte das Abtreibungsrecht werden – wie bereits bei den US-Gouverneurswahlen im November 2023. Die in den USA sehr emotional geführte Debatte dürfte insbesondere die demokratische Basis mobilisieren und könnte Bidens Chancen auf eine Wiederwahl erhöhen.

Aktuell bewegen sich, ähnlich wie bei der Wahl 2020, die Zustimmungswerte Bidens in etwa auf dem Niveau von denen Donald Trumps, dem derzeit aussichtsreichsten republikanischen Kandidaten. Zwar sanken Bidens Umfragewerte zuletzt etwas, allerdings erscheint die demokratische Parteibasis angesichts der substanziellen wirtschaftlichen Fortschritte der vergangenen Jahre weiterhin optimistisch. Denn für den Amtsinhaber sind fundamentale Wirtschaftsdaten von größerer Bedeutung als Finanzmarktvariablen: Seine Wahlergebnisse sind positiv korreliert mit dem Wachstum der verfügbaren Privateinkommen, dem realen BIP-Wachstum und der Stimmung in der Industrie; während sie mit der Verbraucherinflation, den Gaspreisen und der Arbeitslosenquote negativ korreliert sind.

„US-Präsidentschaftswahl am 5. November 2024: Was Aktienanleger schon jetzt wissen sollten.“

Kaum langfristige Folgen für den Gesamtmarkt

Die Analyse früherer Wahlen zeigt, dass eine geteilte Regierungsmacht, bei der die eine Partei den Präsidenten stellt und die andere die Mehrheit im Kongress innehat, für die Aktienmärkte vorteilhaft war. In solchen Zeiten legte der S&P 500 durchschnittlich 14 Prozent pro Jahr zu. Die gesamte Regierungsverantwortung in der Hand einer Partei (Präsidentschaft und Kongressmehrheit) sorgte zwar kurzfristig für mehr Marktvolatilität, erhöhte jedoch langfristig auch den politischen Gestaltungsspielraum.

Durchschnittloiche jährliche Erträge des S&P

Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.

Historisch gesehen ist die Wertentwicklung des US-Aktienmarkts in einem Wahljahr im Durchschnitt 2,5 Prozentpunkte niedriger als in einem Nichtwahljahr. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass vor allem die Rezessionen rund um die Wahljahre 2000, 2008 und 2020 dieses Ergebnis verzerrt haben. Anleger sollten daher nicht allein aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs für 2024 ebenfalls eine schlechtere Entwicklung an den Märkten erwarten. Kurzfristig scheint politische Stabilität positiv für die Anlegerstimmung zu sein. Aktienmärkte entwickelten sich besser, wenn derselbe Präsident oder zumindest dieselbe Partei die Kontrolle über das Weiße Haus behielt (plus 23,4 Prozent ein Jahr nach einer anfänglichen Korrektur von 7,8 Prozent), als wenn eine neue Partei die Kontrolle erlangte (plus 25,1 Prozent nach einer anfänglichen Korrektur von 18,3 Prozent).

Durchschnittliche Korrekturen und 1-Jahres-Renditen des S&P

Insgesamt ist festzuhalten, dass es keine statistische Evidenz gibt, dass ein Wahlergebnis signifikanten, langfristigen Einfluss auf die Renditen des breiten US-Aktienmarkts hat. Da die S&P-500-Unternehmen oft global agieren, spielen etwa die Entwicklung der Unternehmensgewinne und das organische Wachstum über Regionen und Industrien hinweg eine wesentliche größere Rolle als die US-Politik.

Signifikante Unterschiede auf Sektorebene

Je nach Wahlergebnis könnten einzelne Sektoren unterschiedlich beeinflusst werden. Die Bereiche fossile Energien, Luftfahrt und Industriekonglomerate dürften von einem republikanischen Präsidenten profitieren. Dagegen könnten bei einem demokratischen Sieg vor allem Titel aus dem zuletzt durch die gestiegenen Finanzierungskosten stark gebeutelten Sektor erneuerbare Energien einen positiven Impuls erfahren. Denn die Biden-Administration hat strategische Investments in saubere Energien durch Steuererleichterungen und Infrastrukturausgaben gefördert. Insgesamt wurden in diesem Bereich Projekte im Wert von 109 Milliarden US-Dollar im ersten Jahr des Inflation Reduction Act angekündigt.

Anzahl der Fälle Sektor nach Wahl als S&P

In den hoch regulierten Sektoren Gesundheit und Energie dürfte es im Wahlkampf aufgrund der zum Teil sehr unterschiedlichen Ansätze der beiden politischen Lager und der damit verbundenen Unsicherheiten zu erhöhter Volatilität kommen.

Ein Festhalten am bereits angesprochenen „Reshoring“ könnte sich langfristig vor allem auf Sektoren wie Rohstoffe und Industrie positiv auswirken, während ein verstärktes „Friendshoring“ im Umfeld geopolitischer Risiken auf anhaltend hohe Verteidigungsausgaben hindeutet.

Glossar

  • Der Verbraucherpreisindex (VPI) misst den Preis eines Korbes von Produkten und Dienstleistungen, der auf dem Konsum eines typischen privaten Haushalts basiert.
    • Der Kongress der Vereinigten Staaten ist die Legislative und besteht aus den zwei Kammern Senat und Repräsentantenhaus.
      • Demokraten wird häufig als Kurzform für die Demokratische Partei (engl.: Democratic Party) verwendet – neben den Republikanern die zweite bedeutende Partei in den USA.
        • Der Economic Policy Uncertainty (EPU) Index ist ein Indikator, der die Unsicherheit in Bezug auf wirtschaftspolitische Entscheidungen misst. Er wird durch die Analyse von Medienberichten, Finanzmarktdaten oder Unternehmensbefragungen ermittelt.
          • Das Electoral College ist das Organ in den Vereinigten Staaten, das alle vier Jahre den Präsidenten und den Vizepräsidenten wählt. Es besteht aus Wahlleuten, die im Rahmen der Präsidentschaftswahlen aus den Bundesstaaten und dem Bundesdistrikt entsandt werden.
            • Die Federal Reserve (Fed) ist die Notenbank der Vereinigten Staaten von Amerika. Das Federal Open Market Committee (FOMC) legt die geldpolitische Ausrichtung der Fed fest.
              • Das Repräsentantenhaus (engl.: House of Representatives) ist neben dem Senat die zweite Kammer des US-Kongresses. Es verfügt über maßgebliche gesetzgebende Gewalt, vor allem bei Haushalts- und Steuergesetzen.
                • Republikaner ist eine Kurzform für die Republikanische Partei (engl.: Republican Party) – neben den Demokraten die zweite bedeutende Partei in den USA.
                  • Der Senat (engl.: Senate) ist die zweite Kammer des US-Kongresses neben dem Repräsentantenhaus und hat im Gegensatz zu diesem eher eine beratende Funktion.
                    • Swing States sind stark umkämpfte Staaten, die bei einer nationalen Wahl von beiden Parteien gewonnen werden können und häufig ausschlaggebend für das Gesamtergebnis sind.
                      • Der S&P 500 ist ein Aktienindex (Preisindex) in den USA. Er umfasst Aktien der 500 größten und umsatzstärksten Unternehmen des Landes.
                        • Als Treasuries werden Staatsanleihen der USA bezeichnet.

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                        Redaktionsschluss: 22. November 2023, 15 Uhr