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Urbane Mobilitätswende und Klimaresilienz: Wo technologische Innovation auf soziale Innovation trifft.
Gastbeitrag von Dr. Jörn Richert, CEO, Mobilitätsinstitut Berlin

Technologische Innovationen sind ein wesentlicher Treiber für den Fortschritt im Mobilitätsbereich. Allerdings wird die technologische Entwicklung die dreifache Herausforderung nicht lösen: Dekarbonisierung des Verkehrssektors, Erhöhung der Verkehrssicherheit und Verbesserung der Lebensqualität in dichter werdenden Stadträumen.

Vor allem in städtischen Gebieten wird die technologische Innovation daher mit einem ebenso wichtigen Paradigma in Einklang gebracht und oft auch durch dieses herausgefordert: der sozialen Innovation. Was bedeutet das? Anstatt sich auf technische und technologische Lösungen zu konzentrieren, geht es bei sozialer Innovation um die Art und Weise, wie wir Dinge tun und wie wir uns organisieren. Soziale Innovation fordert nicht elektrifizierte oder autonome Autos. Stattdessen wird eine völlig andere Art und Weise vorgestellt, wie wir mit unserer städtischen Umwelt interagieren. Es ruft nach Städten, die sich an dem orientieren, was der dänische Architekt Jan Gehl den menschlichen Maßstab nennt. Dies bedeutet kürzere Reisewege, eine grünere, angenehmere Umwelt und aktive Fortbewegungsarten wie Gehen und Radfahren.

Diese Ideen leiten die Stadtplanung in verschiedenen Städten wie Kopenhagen, Amsterdam, Barcelona und Paris. In der französischen Hauptstadt beispielsweise ist die 15-Minuten-Stadt zum Leitgedanken der Stadtentwicklung geworden. Diese Idee besagt, dass Menschen alle relevanten Aspekte des Lebens – Einkaufen, Schule, Arbeit usw. – innerhalb eines Umkreises von 15 Minuten Fahrzeit von ihrem Wohnort aus erledigen können sollen. Die 15-Minuten-Stadt hat die Mobilität im Zentrum von Paris erheblich verändert. Das Fahrrad ist zu einer viel verbreiteteren Art geworden, sich von A nach B zu bewegen, und das Auto wurde in vielerlei Hinsicht zurückgedrängt.

„Urbane Mobilitätswende und Klimaresilienz: Technologische trifft auf soziale Innovation.“

Dieses Paradigma sozialer Innovation scheint zunächst im Widerspruch zu Großinvestitionen zu stehen, da es mit weniger Autos und oft auch mit insgesamt weniger Mobilität einhergeht. Gleichzeitig eröffnen diese neuen Formen der Planung urbaner Mobilität jedoch mindestens zwei große Chancen.

Die erste Chance betrifft Investitionen in städtische und regionale öffentliche Verkehrssysteme. Ein hochwertiger öffentlicher Verkehr ist eine Schlüsselkomponente für die Schaffung nachhaltiger und lebenswerter Städte. Paris ist hier ein typisches Beispiel. In Kombination mit den Bemühungen, die Innenstadt grüner, lebenswerter und weniger autozentriert umzugestalten, plant die Stadt, ihr Schienennetz bis zum Jahr 2030 um 200 Kilometer und 68 Bahnhöfe zu erweitern. Dafür ist eine Investition von mehr als 35 Milliarden Euro geplant, die das Pariser Netzwerk fast verdoppeln wird. Eine ähnliche Diskussion ist kürzlich auch in Berlin unter dem Label „Expressmetropole Berlin“ entstanden, einem Vorschlag, der eine Verlängerung des Berliner Schienennetzes um mehr als 170 Kilometer vorsieht.

Die zweite Chance hat einen starken Bezug zur Mobilität, geht aber über die Grenzen dieses Bereichs hinaus: Städte klimaresistent machen. Durch die globale Erwärmung wird es in Städten viel heißer als heute. Darüber hinaus werden voraussichtlich weitere extreme Wetterereignisse wie Starkregen und Stürme die große Infrastruktur vor Herausforderungen stellen. Die Verkehrsinfrastruktur selbst wird von diesen Entwicklungen zunehmend betroffen sein. Diese Infrastruktur muss an neue, klimabedingte Herausforderungen angepasst werden.

Darüber hinaus haben lebenswerte und grüne Städte eine starke Verbindung zu einem anderen Teil der Klimaresilienz. Soziale Innovation propagiert die Entsiegelung urbaner Flächen, also den Ersatz von Straßen und Parkplätzen durch Parks und Bäume. Diese Veränderungen haben das Senken der Oberflächentemperatur in Städten und das Erhöhen der Absorption von Starkregen bewirkt.

Solche Entwicklungen finden zunehmend in großem Maßstab statt. Kopenhagen ist hier ein wichtiges Beispiel. Nachdem die dänische Hauptstadt 2011 von heftigen Regenfällen getroffen wurde, beschloss die Stadt, sich mit dem sogenannten Skybrudsplan in eine Schwammstadt umzuwandeln – und investierte dafür 1,8 Milliarden Euro. Ein verbessertes und neu errichtetes Netzwerk aus Kanälen und Stauseen wird dazu beitragen, den Regenwasserfluss zu optimieren und überschüssiges Wasser aufzufangen, das anderenfalls der Infrastruktur, der Wirtschaft und der Bevölkerung der Stadt schaden könnte. Weltweit schätzt die Weltbank den Investitionsbedarf auf jährlich 11 bis 20 Milliarden US-Dollar bis 2050, um Städte klimaresistent zu machen.

Während das Paradigma der technologischen Innovation wichtig bleibt, muss es insbesondere im Kontext der städtischen Gebiete gesehen werden. Über die technologische Innovation hinaus und den Einstieg in soziale Innovationen ergeben sich jedoch zusätzliche Chancen: Investitionen in öffentliche Verkehrssysteme und die Umgestaltung zu klimaresistenteren Städten sind aus Investitionsperspektive vielversprechend.

Glossar

  • Automobile und Komponenten: Unternehmen, die Automobile und Automobilkomponenten herstellen.
  • Autonome Fahrzeuge (AV) / Autonomes Fahren (AD): AVs sind in der Lage, ohne menschliches Zutun zu fahren. AVs sind für AD verantwortlich, zu dem die Wahrnehmung der Umgebung, die Überwachung kritischer Systeme und die Steuerung, einschließlich Navigation, gehören.
  • Biodiversität: Biodiversität bezieht sich auf die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, einschließlich u. a. terrestrischer, mariner und anderer aquatischer Ökosysteme und der ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören; sie umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten, zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme.
  • Biokraftstoffe: eine Art Kraftstoff, der aus Biomasse gewonnen wird, also aus organischen Stoffen wie Pflanzen, landwirtschaftlichen Abfällen oder forstwirtschaftlichen Rückständen.
  • BIP (Bruttoinlandsprodukt): Das Bruttoinlandsprodukt ist ein Maß für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum. Es misst den Wert der im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen (Wertschöpfung), soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden.
  • CO₂ (Kohlendioxid): CO₂ ist ein Treibhausgas, das zur globalen Erwärmung und zum Klimawandel beiträgt.
  • DSRC (Dedicated Short-Range Communication): DSRC ist eine Technologie für den direkten drahtlosen Austausch von Vehicle-to-Everything- und anderen intelligenten Verkehrssystemdaten zwischen Fahrzeugen, anderen Verkehrsteilnehmern und der straßenseitigen Infrastruktur.
  • Endverbrauchssektoren: Die Endverbrauchssektoren – Verkehr, Industrie, Wohnen und Gewerbe – sind die vier Sektoren, die Primärenergie und Strom verbrauchen.
  • EV (Elektrofahrzeuge): Elektrofahrzeuge sind Fahrzeuge, die Elektromotoren zum Antrieb verwenden, die von einem Kollektorsystem mit Strom aus externen Quellen versorgt werden oder autonom von einer Batterie angetrieben werden können.
  • FCV (Fuel Cell Vehicles): FCVs sind Fahrzeuge, die Brennstoffzellen zur Stromerzeugung nutzen, normalerweise unter Verwendung von Sauerstoff aus der Luft und komprimiertem Wasserstoff.
  • GPS (Global Positioning System): GPS ist ein satellitengestütztes Funknavigationssystem. Es gehört der Regierung der Vereinigten Staaten und wird von der United States Space Force betrieben. Es ist eines der globalen Navigationssatellitensysteme (GNSS) und liefert Geolokalisierungs- und Zeitinformationen an einen GPS-Empfänger überall auf oder in der Nähe der Erde, wo eine freie Sichtlinie zu vier oder mehr GPS-Satelliten besteht.
  • GWh: Gigawattstunde.
  • ICE (Internal Combustion Engine): ICE ist eine Wärmekraftmaschine, bei der Kraftstoff mit einem Oxidationsmittel in einer Brennkammer verbrannt wird, wodurch Hochtemperatur- und Hochdruckgase in kinetische Energie umgewandelt werden, die die Motorkomponente antreibt und so Bewegung oder Leistung ermöglicht.
  • INS (Inertial Navigation System): Ein INS ist ein Navigationsgerät, das Bewegungssensoren, Rotationssensoren und einen Computer verwendet, um kontinuierlich die Position, Ausrichtung und Geschwindigkeit eines sich bewegenden Objekts durch Koppelnavigation zu berechnen, ohne dass externe Referenzen erforderlich sind.
  • Investitionsgüterunternehmen: Unternehmen, die Chemikalien, Baumaterialien, Forstprodukte, Glas, Papier und verwandte Verpackungsprodukte herstellen, sowie Metall-, Mineralien- und Bergbauunternehmen, einschließlich Hersteller von Stahl.
  • Kathode und Anode: In der Chemie ist eine Anode eine Elektrode, an der Oxidation stattfindet, und eine Kathode ist eine Elektrode, an der Reduktion stattfindet. Die Anode ist die Elektrode, an der Elektronen die Zelle verlassen, während die Kathode die Elektrode ist, an der Elektronen in die Zelle gelangen.
  • Kritische Metalle: Metalle, die für den Übergang zu sauberen Energietechnologien von entscheidender Bedeutung sind, wie Kupfer, Lithium, Nickel, Mangan, Kobalt, Grafit, Zink, Seltenerdelemente und andere.
  • kWh: Kilowattstunde.
  • Lidar (Light Detection and Ranging): Lidar ist eine Methode zur Entfernungsmessung, bei der ein Laser auf ein Objekt oder eine Oberfläche gerichtet und die Zeit gemessen wird, die das reflektierte Licht benötigt, um zum Empfänger zurückzukehren.
  • Lithium-Ionen-Batterien: Eine Lithium-Ionen-Batterie ist eine Art wiederaufladbare Batterie, die Lithiumionen als Hauptbestandteil ihres Elektrolyten verwendet. Die negative Elektrode einer herkömmlichen Lithium-Ionen-Zelle besteht typischerweise aus Grafit, einer Form von Kohlenstoff, während die positive Elektrode typischerweise ein Metalloxid ist.
  • Lithiumeisenphosphat (LFP): Eine Lithiumeisenphosphatbatterie ist eine Art wiederaufladbare Lithium-Ionen-Batterie, die Lithiumeisenphosphat (LiFePO4) als Kathodenmaterial verwendet.
  • MaaS (Mobility as a Service): Mobility as a Service ist ein Konzept, das auf eine integrierte und nachhaltige Bereitstellung abzielt.
  • Ökosysteme: ein Komplex lebender Organismen, ihrer physischen Umgebung und aller ihrer Wechselbeziehungen in einer bestimmten Raumeinheit. Sie bieten eine breite Palette von Dienstleistungen an, darunter Lebensmittel, Wasser, Luftreinigung und Erholung.
  • Treibhausgasemissionen: Gase, die Wärme in der Atmosphäre speichern und zu dem Phänomen beitragen, das als Treibhauseffekt bekannt ist, wie CO₂, CH₄, H₂0, N₂O, O₃ und andere. Wasserstoff: wird als Brennstoff mit reinem Sauerstoff verbrannt. Es kann ein kohlenstofffreier Kraftstoff sein, wenn er durch einen Prozess hergestellt wird, bei dem kein Kohlenstoff entsteht.
  • Wasserstoff: wird als Brennstoff mit reinem Sauerstoff verbrannt. Es kann ein kohlenstofffreier Kraftstoff sein, wenn er durch einen Prozess hergestellt wird, bei dem kein Kohlenstoff entsteht.

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Redaktionsschluss: 22. Januar 2024, 15 Uhr