3. Juli 2025
Liebe Leserinnen und Leser,
die Wall Street rechnet mit schwächeren Quartalszahlen und sinkenden Nettomargen, Polens Leitindex WIG20 profitiert von stabiler Politik und starkem Binnenkonsum, und in Thailand sorgt eine Regierungskrise für Kursverluste und Kapitalabflüsse.
Wall Street erwartet schwächere Quartalszahlen
In zwei Wochen beginnt die US-Berichtssaison für das zweite Quartal. Analysten rechnen damit, dass die Unternehmen des S&P 500 ihre Gewinne im Schnitt um sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern – deutlich weniger als die knapp 14 Prozent im ersten Quartal. Besonders zurückgehen dürften die Gewinne in den Sektoren
- Energie mit minus 25 Prozent,
- Grundstoffe mit minus vier Prozent und
- Zyklischer Konsum mit minus vier Prozent.
Gleichzeitig erwarten die Experten starke Zuwächse von 32 Prozent in der Kommunikationsbranche und von 18 Prozent im IT-Sektor. Anleger hoffen auf Hinweise, wie sich höhere Zölle auswirken und wie US-Unternehmen mit den steigenden Kosten umgehen wollen. Derzeit gehen viele davon aus, dass die Firmen die Belastungen durch Einsparungen, Effizienzsteigerungen, angepasste Lieferketten und Preiserhöhungen abfedern. Allerdings haben bislang nur wenige Unternehmen Preiserhöhungen angekündigt. Analysten erwarten deshalb, dass die Nettomargen von 12,7 auf 12,3 Prozent sinken werden. Solange der Rückgang moderat bleibt, könnte die aktuelle Rally bei US-Aktien weitergehen.
Polens Leitindex trotzt politischem Gegenwind
Der polnische Leitindex WIG20 stieg in der vergangenen Woche um sechs Prozent und steigerte seine diesjährige Wertentwicklung damit auf 32 Prozent. Vom Rücksetzer infolge der Präsidentschaftswahlen und der anschließenden Vertrauensabstimmung hat sich der WIG20 zügig erholt.
Mittlerweile hat sich die politische Lage beruhigt und an der Börse sind die guten Aussichten der polnischen Wirtschaft wieder in den Vordergrund gerückt. Denn polnische Unternehmen profitieren nicht nur vom starken Binnenkonsum, sondern auch von der erstarkenden europäischen Konjunktur, da fast zwei Drittel ihrer Exporte in die Europäische Union gehen. Analysten erwarten daher für die kommenden zwölf Monate ein Gewinnwachstum von 23,6 Prozent. Berücksichtigt man das moderate Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9,4, bleiben polnische Aktien auch für Investoren auf der Suche nach Substanzwerten interessant.
Thailand: Premierministerin suspendiert, SET-Index auf Mehrjahrestief
In Thailand eskalierte Ende Juni die Regierungskrise, die Mitte des Monats durch ein geleaktes Telefonat zwischen Premierministerin Paetongtarn Shinawatra und dem ehemaligen kambodschanischen Regierungschef Hun Sen ausgelöst wurde. Daraufhin verließ die zweitstärkste Partei die Mehrparteienkoalition. Gleichzeitig begannen in Bangkok Proteste, die den Rücktritt der Premierministerin forderten. Am 1. Juli suspendierte das thailändische Verfassungsgericht die Regierungschefin vorläufig von ihrem Amt, um mögliche ethische Verstöße im Zusammenhang mit dem Telefonat zu prüfen. Bis zur endgültigen Entscheidung übernimmt Vizepremierminister Suriya Jungrungreangkit kommissarisch. Infolge der politischen Instabilität fiel der Leitindex SET auf ein Mehrjahrestief, der Baht verlor spürbar an Wert und internationale Anleger zogen Kapital ab. Abgesehen von möglichen Neuwahlen bereitet vor allem die Frage Sorgen, ob der neue Haushalt für 2026 bis Ende September 2025 verabschiedet werden kann. Gelingt keine rechtzeitige Einigung, drohen – ähnlich wie während der Krise 2023 – ab dem vierten Quartal Zahlungsausfälle, die zu erheblichen Wachstumseinbußen führen könnten. Auch deshalb gehört die Börse in Bangkok weiterhin nicht zu meinen Schwellenländer-Favoriten.
Japan: Inflation bleibt hoch, Zinsschritte weiter ungewiss
Das Vertrauen großer japanischer Fertigungsunternehmen hat sich im Juni stärker verbessert als erwartet. Trotz bestehender Handelsunsicherheiten halten sie an ihren langfristigen Investitionsplänen fest. Zugleich verbesserte sich das Vertrauen japanischer Konsumenten zum zweiten Mal in Folge. Die von den Befragten für das Jahr 2026 erwartete Inflationsrate sank auf 4,45 Prozent, liegt damit aber immer noch mehr als das Doppelte über dem Inflationsziel der Bank of Japan. Auch die tatsächlich gemessene Inflation ist zu hoch: Mit 3,7 Prozent wurde im Mai die höchste Kernrate aller G7-Länder verzeichnet. Unter „normalen” Umständen spräche einiges für Zinsanhebungen. Dass Japans Währungshüter dennoch zögern, ist vor allem der Unsicherheit über den Ausgang der Zollverhandlungen mit den USA geschuldet. Bis Ende 2025 preisen die Märkte eine Anhebung des Leitzinses von derzeit 0,5 auf 0,75 Prozent mit einer Wahrscheinlichkeit von 63 Prozent ein. Sollte Washington die Schonfrist für japanische Exporteure über den 8. Juli hinaus verlängern, würde dies die Chancen für eine für beide Seiten akzeptable Einigung erhöhen und den Spielraum für weitere Zinsanhebungen in den kommenden Quartalen erweitern. Der zuletzt – besonders zum Euro – schwächere Yen dürfte einer der Hauptprofiteure sein.
„Sichere Häfen“ im Sturm der Märkte
Inmitten globaler Krisen und geopolitischer Spannungen rücken „sichere Häfen“ wieder in den Fokus. Finanzjournalistin Jessica Schwarzer und ich sprechen über Gold, Staatsanleihen, Immobilien und andere Anlageklassen, die Stabilität versprechen. Mehr dazu in der aktuellen Folge von PERSPEKTIVEN To Go – der Börsenpodcast.
Zahl des Tages: 2.950
Über den richtigen Standort eines Gipfelkreuzes sollte es eigentlich keine zwei Meinungen geben: Ein Gipfelkreuz gehört auf den höchsten Punkt eines Berges. Auf der Zugspitze, dem höchsten Berg Deutschlands, wird diese Regel ab heute allerdings etwas großzügiger ausgelegt. Besucher, die mit der Zugspitzbahn nach oben fahren, finden schon in der Gipfelstation auf 2.950 Metern Höhe ein Ersatzkreuz vor und können dort ihr Selfie machen. Schlecht ausgerüstete Sandalentouristen sollen so davon abgebracht werden, sich auf dem kurzen, aber felsigen Weg zum echten Gipfel in Gefahr zu bringen – was bei 600.000 Zugspitzbesuchern jährlich immer mal wieder vorgekommen ist.
Schonen Sie heute Ihre Kräfte.
Herzlichst

Ihr Ulrich Stephan
Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden
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