Gold im Spannungsfeld der Zinsentwicklung

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Des einen Freud ist des anderen Leid. Das galt jüngst auch mit Blick auf Anleihe- und Goldkäufer. Denn während sich Zinsjäger im September an stark gestiegenen Renditen insbesondere bei länger laufenden Staatsanleihen guter Bonität erfreuen durften, geriet die Goldnotierung unter Druck. Hatte sich der Preis für das Edelmetall im Sommer noch in einer Spanne von 1.900 bis 2.000 US-Dollar pro Feinunze (31 Gramm) bewegt, fiel er Ende September unter die Marke von 1.900 US-Dollar. Ursächlich dafür waren Aussagen der Notenbanker in den USA und Europa, die die Erwartungen der Marktteilnehmer befeuerten, dass die Leitzinsen möglicherweise länger auf erhöhten Niveaus verharren könnten. Gestützt wurde diese Annahme durch einen insgesamt optimistischeren Ausblick der US-Notenbank Fed für das künftige Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt in den USA.

Hinter dieser Entwicklung steht die bekannte Mechanik, dass die Opportunitätskosten für das Halten von zinslosem Gold bei steigenden Kapitalmarktzinsen zunehmen und somit andere als sicher geltende Anlagen rentabler erscheinen. Hinzu kommt, dass die Aussicht auf längerfristig erhöhte US-Leitzinsen dem US-Dollar Auftrieb verleiht. Da Gold weltweit in US-Dollar gehandelt wird, verteuert sich durch einen starken Greenback der Erwerb des Edelmetalls für Käufer außerhalb des US-Dollar-Währungsraums – was die Nachfrage dämpft.

Konkret dürfte der jüngste Preisdruck insbesondere dem Abbau von Positionen in Gold-ETFs geschuldet sein. Zudem waren die Goldkäufe der Zentralbanken rückläufig: Im zweiten Quartal 2023 gingen sie gegenüber dem Vorquartal um 64 Prozent zurück, im Jahresvergleich um 35 Prozent. Dabei bewegen sie sich historisch betrachtet in diesem Jahr mit bislang 387 Tonnen insgesamt noch immer auf einem sehr hohen Niveau. Die People‘s Bank of China etwa kaufte im ersten Halbjahr rund 103 Tonnen des Edelmetalls und stockte damit ihre Goldreserven auf rund 4 Prozent der Gesamtreserven auf. Auch die türkische Zentralbank trat nach den Präsidentschaftswahlen im Mai wieder verstärkt als Goldkäufer auf. Unterstützung erhielt das Edelmetall trotz seines vergleichsweise hohen Preises im Jahresverlauf auch durch eine hohe Nachfrage nach Schmuck. Das galt zum Beispiel für China, wo die einsetzende konjunkturelle Erholung für ein robustes Kaufinteresse sorgte. Sollte sich der wirtschaftliche Aufwärtstrend in China wie erwartet fortsetzen, dürfte das die Goldnachfrage weiter stützen. In Indien, einem weiteren Land mit traditionell hohen Schmuckkäufen, begrenzte allerdings bislang die lokal hohe Inflation die Nachfrage.

„Wie die Notenbanken dem Goldpreis mittelfristig Auftrieb verleihen könnten.“

Kurzfristig dürfte sich der Goldpreis in etwa beim derzeitigen Niveau stabilisieren. Wobei geopolitische Krisen wie jüngst im Nahen Osten ihn zwischenzeitlich in die Höhe treiben könnten. Mittelfristig sollte die Geldpolitik, insbesondere der Fed, maßgeblich für die Entwicklung des Goldpreises bleiben: Sollte es in den USA statt zu einem Soft Landing (dt.: sanfte Landung) zu einer Rezession kommen, könnte die Fed die Leitzinsen womöglich deutlich früher als erwartet senken, was dem Goldpreis zugutekommen würde. Derzeit wird an den Märkten eine erste Zinssenkung in den USA für den Juni 2024 erwartet. Bis zum Ende des dritten Quartals 2024 rechnet die Deutsche Bank mit einem Leitzins von 4,75 bis 5,0 Prozent – ein deutlicher Abschlag im Vergleich zur aktuellen Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent. Allerdings gilt es zu bedenken, dass geldpolitische Entscheidungen in der Regel erst mit einer Verzögerung von 12 bis 18 Monaten Wirkung zeigen. Insofern erscheint es durchaus möglich, dass die Fed und die EZB ihr Ziel, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch höhere Zinsen zu drosseln, bereits erreicht haben. Dadurch könnten sich die jüngsten Ankündigungen der Notenbanker, die Leitzinsen für „länger“ auf einem „höheren“ Niveau zu belassen, als eher kurzlebig erweisen. Bestimmend dürfte in diesem Zusammenhang die Entwicklung der Inflationsraten bleiben.

Die Deutsche Bank geht davon aus, dass im Jahresverlauf 2024 die Wahrscheinlichkeit für erste US-Leitzinssenkungen zunimmt. Dies dürfte Druck auf die US-Kapitalmarktzinsen und den US-Dollar ausüben und die Goldnachfrage stützen. Strukturell bzw. diversifizierungsbedingte Goldkäufe der Notenbanken zum Abbau ihrer US-Dollar-Reserven könnten dem Edelmetall zusätzlich Rückenwind verleihen, ebenso die globale Schmucknachfrage. Nicht zuletzt könnten die Unsicherheiten im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen 2024 den Goldpreis stützen. Die Deutsche Bank erwartet den Goldpreis im September 2024 bei 2.150 US-Dollar je Feinunze. Insofern sollte Gold als Beimischung in einem ausgewogenen Portfolio seiner Rolle als Absicherungsinstrument weiterhin gerecht werden können.

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Redaktionsschluss: 30. Oktober 2023, 15 Uhr