omdim / Adobe Stock

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Blickt man auf die Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF), wird Asien 2023 einmal mehr den Löwenanteil zum weltweiten Wirtschaftswachstum beisteuern. Wachstumslokomotive Nummer 1 bleibt demnach China mit einem Wachstumsanteil von rund 35 Prozent. Auf Platz 2 folgt Indien mit rund 15 Prozent. Zum Vergleich: Der globale Wachstumsbeitrag Europas wird laut IWF 2023 bei rund 7 Prozent liegen.

Indien ist aktuell die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Sollte das Land sein derzeitiges Wachstumstempo von jährlich durchschnittlich 5,8 Prozent in den nächsten fünf Jahren halten und danach mit etwas verringerten Wachstumsraten weiterwachsen, könnte es Analysten zufolge bis 2051 die Eurozone wirtschaftlich eingeholt und bis 2075 zu den USA aufgeschlossen haben. Eine der wichtigsten Wachstumssäulen Indiens ist seine junge Bevölkerung. Mit rund 1,4 Milliarden Menschen hat das Land kürzlich China als bevölkerungsreichstes Land der Erde abgelöst.2 Das Durchschnittsalter liegt aktuell bei rund 28 Jahren (Deutschland: rd. 45 Jahre). Von den circa 900 Millionen Indern im erwerbsfähigen Alter haben bislang jedoch nur etwa 60 Millionen einen formellen Arbeitsplatz. Sollte Indien unter diesen Bedingungen tatsächlich die Wirtschaftsleistung der USA erreichen, könnte das Wohlstandsniveau dennoch unter dem der Industrieländer und auch Chinas verharren. Weitere Investitionen in das Bildungssystem scheinen deshalb vonnöten. Massiv erhöht haben Premierminister Narendra Modi und seine Vorgänger bereits die Investitionen in die Infrastruktur des Landes. Neben etwa dem Straßennetz wurde auch die digitale Infrastruktur zuletzt deutlich erweitert. Und auch der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet voran. Damit könnte sich sukzessive die bislang große Abhängigkeit Indiens von Energieimporten verringern.

Beim Blick auf die indische Wirtschaft zeigt sich ein im Vergleich zu anderen Emerging Markets hoher Anteil des Dienstleistungsbereichs. Dieser macht rund 40 Prozent aller Exporte aus. Vor allem der IT-Sektor entwickelte sich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie solide. Trotz einer hohen Wertschöpfung ist in diesem Bereich die Zahl der Arbeitsplätze mit etwa 5 Millionen jedoch vergleichsweise klein. Das Land tut sich bislang schwer, Industrieunternehmen anzusiedeln. Entgegen anderen asiatischen Ländern, etwa Vietnam, konnte Indiens Verarbeitendes Gewerbe von einer Verschiebung der westlichen Lieferketten aus China heraus bisher kaum profitieren.

Die indische Wirtschaftsleistung hat sich zuletzt bemerkenswert robust entwickelt. Im ersten Quartal 2023 wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorjahresquartal um rund 6,1 Prozent. Auch wenn das Wachstum, etwa durch mögliche Naturkatastrophen infolge des Klimaphänomens El Niño, im Jahresverlauf etwas ausgebremst werden könnte, rechnet die Deutsche Bank für die Gesamtjahre 2023 und 2024 mit einem Plus von 6,0 Prozent bzw. 6,2 Prozent.

„Warum indische Bankaktien für Anleger jetzt interessant sein könnten.“

Am indischen Aktienmarkt könnten sich entsprechend risikobereiten, mittel- bis langfristig orientierten Anlegern auf absehbare Zeit interessante Investmentchancen bieten. Die größeren Leitindizes in Indien scheinen derzeit vergleichsweise hoch bewertet zu sein. Im Hinblick auf mögliche Rücksetzer könnten sich Anlegern kurzfristig Einstiegsmöglichkeiten eröffnen. Aus Sicht der Deutschen Bank könnten insbesondere indische Banktitel von Interesse sein. Die indischen Finanzinstitute scheinen insgesamt solide aufgestellt. Laut dem Finanzstabilitätsbericht der indischen Zentralbank Reserve Bank of India (RBI) lag die Kreditausfallquote indischer Banken im März 2023 bei nur noch 3,9 Prozent (Vorjahr: 5,9 Prozent). Dieser positive Trend dürfte sich laut der RBI fortsetzen. Das erwartete starke Wachstum Indiens sollte das Kreditgeschäft stützen, ebenso mögliche Investitionen im Hinblick auf die Neujustierung globaler Lieferketten. Zudem konnten indische Banken ihre Nettozinsmarge erheblich ausweiten. Unter anderem dank variabler Verzinsungen gelang es ihnen vor dem Hintergrund auch in Indien steigender Leitzinsen, die Kreditzinsen schneller zu erhöhen als die Einlagezinsen.

Die Analystengemeinde hat die Gewinnerwartungen für indische Banken in den vergangenen drei Monaten für 2023 und für 2024 angehoben. Die Bewertungen liegen mit einem auf 12-Monats-Sicht erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14,9 deutlich höher als im Durchschnitt der asiatischen Region (7,1). Da sie vom großen strukturellen Wachstumspotenzial Indiens profitieren dürften, erscheinen der Deutschen Bank indische Banktitel als Investment für mittelfristig orientierte Anleger weiterhin einen Blick wert. Auf die jüngste Kursrallye könnte ähnlich dem Gesamtmarkt eine Phase der Konsolidierung mit entsprechenden Einstiegschancen folgen.
2https://www.un.org/development/desa/dpad/publication/un-desa-policy-brief-
no-153-india-overtakes-china-as-the-worlds-most-populous-country (abgerufen am 27. Juli 2023 um 10:00 Uhr).

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Redaktionsschluss: 31. Juli 2023, 15 Uhr