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In vielen Ländern weltweit haben seit dem Beginn des vergangenen Jahres steigende Zinsen die Finanzierungskosten für Wohnimmobilien spürbar verteuert. Unter anderem dadurch sank etwa in Deutschland die Immobiliennachfrage und die Preise gerieten unter Druck. In den USA hingegen ist eine üblicherweise hohe Zinssensibilität des Häusermarktes derzeit nicht zu beobachten. Im Gegenteil: Die US-Hauspreise zogen zuletzt weiter an. Und das obwohl auch dort die Finanzierungskosten massiv gestiegen sind: Die elf Leitzinserhöhungen der US-Notenbank Fed seit März 2022 haben die Hypothekenzinsen von 3 Prozent auf mehr als 7 Prozent in die Höhe getrieben. Für einen durchschnittlichen US-Haushalt verdoppelten sich dadurch die Finanzierungskosten seit 2020 von rund 14 Prozent auf zuletzt fast 29 Prozent des monatlichen Haushaltseinkommens – das ist der höchste Wert seit 1985. Zwar gaben die US-Hauspreise zu Beginn des Leitzinszyklus in Verbindung mit einer sinkenden Nachfrage insgesamt etwas nach, erholten sich dann jedoch und liegen aktuell wieder auf dem durch die US-Coronahilfen stimulierten Rekordniveau vom Vorjahresbeginn. Daten des S&P/Case-Shiller Index zufolge konnten die US-Häuserpreise nach einem kurzzeitigen Jahrestief im Januar 2023 bis Juli bereits wieder um 6 Prozent zulegen.

Ein Grund für diese eher ungewöhnliche Preisentwicklung dürfte vor allem in der Ausgestaltung der Finanzierungen liegen. US-Hauskäufer schlossen in einem günstigen Zinsumfeld vor den Leitzinserhöhungen sehr langfristige Finanzierungen mit 30 Jahren Zinsbindung ab. Ermöglicht wird dies unter anderem durch staatlich geförderte Hypothekenverwalter, die im großen Stil Hypothekenkredite von Banken erwerben, bündeln und als hypothekenbesicherte Wertpapiere an den Kapitalmärkten platzieren. Dadurch erhalten zudem die Banken wieder frisches Geld für die Kreditvergabe. Hinter der staatlichen Unterstützung steht das politische Ziel, US-Bürgern den Kauf von Wohneigentum zu erleichtern.

Immobilieneigentümer, die ihre alte, zu in der Vergangenheit günstigeren Zinsen finanzierte Immobilie verkaufen möchten, um eine neue zu erwerben, müssen aktuell für die Neufinanzierung mit höheren Finanzierungskosten kalkulieren. Viele stellen deshalb ihre Umzugspläne erst mal zurück. Analystenschätzungen zufolge haben derzeit 82 Prozent der US-Hauseigentümer laufende Immobilienfinanzierungen mit vergleichsweise günstigen Verzinsungen von unter 5 Prozent. Weiterhin interessierten Hauskäufern bleibt vor diesem Hintergrund oft nur das Neubauangebot. Um die hohen Finanzierungskosten auszugleichen, geben Bauunternehmen mittlerweile immerhin Preisnachlässe, die sich positiv auf die Finanzierungskonditionen auswirken können.

Entscheidend für die weitere Entwicklung dürfte auch am US-Immobilienmarkt die Entwicklung der Leitzinsen sein. Anhaltend hohe Leitzinsen halten die Hypothekenzinsen hoch und belasten sowohl das Angebot als auch die Nachfrage. Die Fed dürfte die Häuserpreise genau im Blick behalten. Denn die Kosten für Wohnen machen in den USA rund ein Drittel des Verbraucherpreisindex aus. Auch wenn sich die Verbindung zwischen Häuserpreisen und Inflation eher indirekt über die Mietpreise zeigt, könnten starke Preissteigerungen am Häusermarkt für eine im Hinblick auf das Inflationsziel der Fed unerwünschte Dynamik in der US-Wirtschaft sorgen, weil Wertsteigerungen bei Immobilien über positive Vermögenseffekte das Wohlstandsniveau erhöhen und dadurch die Nachfrage der privaten Haushalte erhöhen könnten.

„Wohnimmobilienmarkt USA: langfristig weiterhin eine interessante Wahl für Anleger.“

Die Deutsche Bank geht davon aus, dass die USA, wie auch andere große Volkswirtschaften, zumindest eine länger anhaltende Rezession vermeiden können. Der Arbeitsmarkt könnte demnach in einer soliden Verfassung bleiben und die Löhne sollten weiter moderat steigen. Wenn den Vereinigten Staaten eine „Soft Landing“ gelingt, also eine Abschwächung der wirtschaftlichen Dynamik ohne das Abrutschen in eine Rezession, und die US-Notenbank am Ende ihres Zinszyklus angekommen ist, dürften sich die Hypothekenzinsen stabilisieren.

Die Deutsche Bank erwartet den US-Leitzins auf 12-Monats-Sicht bei einer Spanne von 4,75 bis 5,00 Prozent (aktuell: 5,25–5,50 Prozent). In der Folge könnten US-Wohnimmobilien zusätzlichen Aufwind bekommen – wenn auch weniger stark als im vorangegangenen Zyklus. Bei einer anhaltenden Angebotsknappheit, die unter anderem durch ein erwartetes Wachstum der US-Bevölkerung von 6 Prozent bis 2030 von 334 Millionen im Jahr 2022 auf dann 355 Millionen gestützt werden könnte, dürften neben Eigenheimen auch Mietwohnungen gefragt bleiben, zumal der Umzug in die eigenen vier Wände derzeit nicht für jeden US-Bürger, der ihn sich wünscht, erschwinglich ist. Die Leerstände im Wohnsegment liegen in vielen Regionen der Vereinigten Staaten unter ihren historischen Durchschnittswerten. In Erwartung eines soliden Mietwachstums könnten entsprechend risikobereite Anleger US-Wohnimmobilien also verstärkt in den Fokus nehmen.

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Redaktionsschluss: 02. Oktober 2023, 15 Uhr