Aktien – 16.08.2023

Der globale Bankensektor – Teil 3: Asien-Pazifik

Die wichtigsten Fakten:

  • Der globale Bankensektor ist sehr heterogen und zeigt insbesondere viele regionale Unterschiede.
  • Banken aus dem asiatisch-pazifischen Raum zeigen ein gemischtes Bild.
  • Dazu gehören Chancen in Indien, eine besondere Situation in Japan sowie begrenztes Aufwärtspotenzial in China und Australien.

Bildquelle: Paylessimages / Adobe Stock

Große regionale Unterschiede im APAC-Raum

Seit dem Höhepunkt der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor am 22. März haben die Kurse der Banken aus dem asiatisch-pazifischen Raum (Asia-Pacific, APAC) einschließlich Dividenden zugelegt. Angeführt wurde die Erholung von indischen und japanischen Instituten, während die australischen Banken fast unverändert blieben und die chinesischen Banken noch weiter zurückfielen. Die Bewertung von APAC-Bankentiteln liegt aktuell unter dem historischen Durchschnitt und die erwartete Dividendenrendite mit 4,2 Prozent fast doppelt so hoch wie die für den Gesamtaktienmarkt der Region. Mit Blick auf die Marktkapitalisierung dominieren chinesische Institute den Sektor (37 Prozent), gefolgt von indischen (17 Prozent), australischen (14 Prozent) und japanischen Banken (12 Prozent). Für potenzielle Anleger empfiehlt sich daher ein differenzierter Blick auf die Bankenlandschaft in diesen vier großen Volkswirtschaften.

China: gemischte Signale aus dem Bankensektor

Seit Anfang des Jahres sind die chinesischen Banken Teil der konjunkturellen Erholung des Landes. Das beträchtliche Kreditwachstum zum Jahresanfang verlangsamte sich in der Folge jedoch etwas. Nachdem die chinesische Zentralbank People's Bank of China (PBoC) im Juni ihre Leitzinsen für ein- und fünfjährige Kredite bereits gesenkt hat, erwarten viele Analysten eine weitere kleine Senkung der Leitzinsen in der zweiten Jahreshälfte. Um zusätzlichen Spielraum für Kreditzinssenkungen zu schaffen, könnte Peking zudem den Geschäftsbanken erlauben, die Einlagenzinsen zu senken.

Vor dem Hintergrund schrumpfender Margen und eines gedämpften Kreditwachstums wurden die Gewinnerwartungen für den Bankensektor zuletzt für 2023 und 2024 nach unten korrigiert. Sowohl das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der Branche auf Basis der erwarteten Gewinne in den kommenden zwölf Monaten (next twelve months, NTM) als auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) liegen aktuell deutlich unter ihren jeweiligen 10-Jahres-Medianen. Damit ist die Bewertung der Banken in China die niedrigste unter den großen APAC-Nationen. Während die niedrigen Bewertungen die Hoffnung auf einen Aufwärtstrend bei chinesischen Bankaktien nähren, warnen einige Analysten vor einer weiteren Korrektur. Denn das hohe Engagement in lokalen Staatsanleihen könnte das Ertragswachstum durch schrumpfende Gewinnmargen weiter beeinträchtigen, was wiederum die Kapitalbildung und die Dividendenausschüttung unter Druck setzen würde.

„Globale Bankaktien: In Asien sind für entsprechend risikobereite Anleger vor allem Indien und Japan interessant.“

Indien: Profiteure der strukturellen Wachstumsstärke

Nach einem schwachen ersten Quartal 2023 entwickelten sich die indischen Banken im Einklang mit der Erholung des indischen Aktienmarktes im zweiten Quartal besser. In seinem jüngsten Bericht vom Juni stufte S&P Global Ratings die Länderrisikobewertung des indischen Bankensektors von 6 auf 5 herab, wobei 1 die geringste und 10 die höchste Risikokategorie für das Bankensystem eines Landes darstellt. Für die Zukunft erwartet die Ratingagentur, dass das indische Bankensystem seinen soliden Entwicklungstrend beibehält.

Das indische Kreditwachstum scheint sich im Juni auf einem hohen Niveau von 15,4 Prozent im Jahresvergleich stabilisiert zu haben und könnte aufgrund der Verbesserung der makroökonomischen Entwicklung weiter stark zulegen. Ein Grund hierfür ist unter anderem, dass Indien als einer der Hauptprofiteure der Diversifizierung von Lieferketten multinationaler Unternehmen gilt. Dank der Zinserhöhungen der indischen Notenbank RBI (Reserve Bank of India) war eine deutliche Verbesserung der Nettozinsmargen (net interest margins, NIMs) zu beobachten. Da sich der Zinserhöhungszyklus der RBI jedoch dem Ende zuneigt und sich die Banken auf einen zunehmenden Wettbewerb um die Einlagen konzentrieren, dürften die Nettomarktzinsen im laufenden Geschäftsjahr 2024 auf rund 3 Prozent sinken. Positiv dürften sich sinkende Risiken in den Kreditbüchern sowie eine anhaltend gute Qualität der Aktiva auf die Gesamtrentabilität des indischen Bankensektors auswirken.

Die Bewertung indischer Banken lag zuletzt sowohl beim NTM-Kurs-Gewinn-Verhältnis als auch beim NTM-Kurs-Buchwert-Verhältnis deutlich über dem Durchschnitt der APAC-Region. Aus historischer Sicht relativieren sich diese Bewertungen allerdings, da beide Kennzahlen nach wie vor unter ihrem jeweiligen 10-Jahres-Median liegen. Während die jüngste starke Rallye bei indischen Banken eine kurzfristige Konsolidierung auslösen könnte, dürfte der Sektor für mittelfristig orientierte und entsprechend risikobereite Anleger attraktiv bleiben, da er vom starken strukturellen volkswirtschaftlichen Wachstumspotenzial Indiens profitieren dürfte.

Japan: nicht billig, aber interessant

Im zweiten Quartal übertrafen die Kursgewinne der japanischen Banken nicht nur die ihrer regionalen Konkurrenten in der APAC-Region – mit Ausnahme der indischen Banken –, sondern auch die Entwicklung des breiten japanischen Aktienmarkts. Spekulationen, dass die Bank of Japan (BoJ) ihre yield curve control (YCC), also die zulässige Bandbreite für langfristige Zinsschwankungen, ausweiten oder abschaffen würde, führten zu Käufen in Erwartung eines sich verbessernden Ertragsumfelds für japanische Banken. Auf ihrer Sitzung Ende Juli verkündete die BoJ tatsächlich eine größere Flexibilität ihrer YCC. Darüber hinaus nahm die Gesamtkreditvergabe der Banken und Kreditgenossenschaften weiter zu, wodurch bei steigender Inflation und negativen Realzinsen steigende Bankgewinne zu erwarten sind.

Dementsprechend wurden in den vergangenen Monaten die Gewinnerwartungen für japanische Banken für 2023 um 5,2 Prozent und für 2024 um 3,9 Prozent angehoben – die größten Anhebungen in den Bankensektoren der bedeutenden APAC-Länder. Bei einem erwarteten NTM-Gewinnwachstum von 10,3 Prozent werden japanische Banken derzeit mit dem 9,8-Fachen ihrer NTM-Gewinne gehandelt, was etwa 10 Prozent über ihrem 10-Jahres-Median und über dem APAC-Durchschnitt von 7,3 liegt. Das lässt japanische Bankaktien insgesamt zwar weniger günstig erscheinen. Da das inländische Kreditwachstum jedoch am oberen Ende der 20-Jahres-Spanne liegt und die BoJ kleine Schritte zur Normalisierung der Politik unternimmt, sehen die Geschäftsaussichten für den japanischen Bankensektor besonders günstig aus und untermauern die Gewinnprognosen für die großen Banken.

Australien:

Aufgrund zunehmender Rezessionsängste in Australien wurden die erwarteten Gewinne australischer Banken in den vergangenen Monaten für 2023 und 2024 nach unten korrigiert. Ein Grund dafür war unter anderem das insgesamt angespannte Kreditgeschäft. Zwar haben die australischen Banken die Rabatte für ihre Kunden bei einer Hypothekenrefinanzierung weitgehend abgeschafft, was die Gesamtrentabilität des Wohnungsbaukreditgeschäfts verbessert hat. Analysten zufolge dürften die Zinsmargen für neue Wohnungsbaudarlehen nach Monaten intensiven Wettbewerbs jedoch 20 bis 35 Basispunkte unter denen für ältere Hypotheken liegen. Darüber hinaus sank das annualisierte Wachstum der Geschäftskredite, was wahrscheinlich auf geringere geplante Investitionen in Erwartung einer nachlassenden Wachstumsdynamik zurückzuführen ist.

Bei den Einlagen war aufgrund höherer Zinssätze zuletzt eine entsprechend höhere Nachfrage zu beobachten. Da jedoch der durchschnittliche Spitzeneinlagenzins für die größeren australischen Banken im Mai auf 4,5 Prozent gestiegen ist – von 1,1 Prozent ein Jahr zuvor –, hat sich der Druck auf ihre Nettozinsmargen und Ertragserwartungen deutlich erhöht. Sollte sich das erwartete NTM-Gewinnwachstum – das derzeit bei –4 Prozent liegt – als immer noch zu hoch erweisen, könnte das Aufwärtspotenzial für australische Bankaktien auf absehbare Zeit begrenzt bleiben. Mit einem NTM-Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9,8 und einem NTM-Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,4 sind australische Banken in etwa so bewertet wie im Schnitt der vergangenen zehn Jahre.

Glossar

  • Der asiatisch-pazifische Raum (Asia-Pacific, APAC) umfasst Länder in Ostasien, Südostasien und Ozeanien, die an den Pazifischen Ozean grenzen.
  • Die Bank of England (BoE) ist die britische Zentralbank.
  • Die Bank of Japan (BoJ) ist die Zentralbank von Japan.
  • Basel III ist ein vorgeschlagener Standard für die Eigenkapitalausstattung von Banken.
  • Common Equity Tier 1 (CET 1) ist eine Komponente des Tier-1-Kapitals, die hauptsächlich aus Stammaktien besteht, die von einer Bank oder einem anderen Finanzinstitut gehalten werden.
  • Gewerbliche Immobilien (commercial real estate, CRE) sind Immobilien, die in erster Linie zur Ausübung von Geschäften und zur Erzielung von Einkünften des Eigentümers genutzt werden.
  • Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) ist eine unabhängige EU-Aufsichtsbehörde für den europäischen Bankensektor.
  • Der Gewinn je Aktie (earnings per share, EPS) wird berechnet als Nettogewinn eines Unternehmens abzüglich der Dividende für Vorzugsaktien, geteilt durch die Gesamtzahl der im Umlauf befindlichen Aktien.
  • Die Europäische Zentralbank (EZB) ist die Zentralbank für die Eurozone.
  • Die Eurozone besteht aus 20 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die den Euro als gemeinsame Währung und einziges gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt haben.
  • EUR ist der Währungscode für den Euro, die Währung der Eurozone.
  • Die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) ist eine unabhängige US-Behörde, die vom Kongress gegründet wurde, um die Stabilität und das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Finanzsystem des Landes zu erhalten.
  • Die Fixed Income Clearing Corporation (FICC) ist eine regulierte US-Clearing-Organisation, die sich mit der Bestätigung, Abwicklung und Lieferung von festverzinslichen Vermögenswerten in den Vereinigten Staaten befasst.
  • Banken, die einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, werden als global systemrelevante Banken (global systemically important banks, G-SIBs) identifiziert und in Gruppen eingeteilt, anhand derer ihre höhere Verlustabsorptionsanforderung bestimmt wird.
  • Um zu gewährleisten, dass die Finanzinstitute weiterhin ihren kurzfristigen Verpflichtungen nachkommen können, bezieht sich die Liquiditätsdeckungsquote (liquidity coverage ratio, LCR) auf den Prozentsatz der hochliquiden Aktiva, die von diesen Instituten gehalten werden.
  • NTM (next twelve months) steht im Zusammenhang mit den Erträgen und damit den Kurs-Gewinn-Verhältnissen für die nächsten zwölf Monate.
  • Die People's Bank of China (PBoC) ist die Zentralbank der Volksrepublik China.
  • Das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) misst den Aktienkurs eines Unternehmens im Verhältnis zu seinen materiellen Vermögenswerten.
  • Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) misst den aktuellen Aktienkurs eines Unternehmens im Verhältnis zu seinem Gewinn pro Aktie. In diesem Zusammenhang bezieht sich LTM (last twelve months) auf die Gewinne der vergangenen zwölf Monate.
  • Der Recovery and Resilience Plan (RRP, italienisch PNRR) ist Italiens von der EU genehmigter Investitions- und Reformplan zur Überwindung der COVID-19-Notlage.
  • Risikogewichtete Aktiva (risk-weighted assets, RWAs) ist ein Begriff, der verwendet wird, um das Mindestkapital zu bestimmen, das Banken als Reserve halten müssen, um das Risiko einer Insolvenz zu verringern.
  • Der STOXX Europe 600 umfasst 600 Unternehmen aus 17 europäischen Ländern.
  • Ein systemrelevantes Finanzinstitut (systemically important financial institution, SIFI) ist eine Bank, eine Versicherungsgesellschaft oder ein anderes Finanzinstitut, dessen Ausfall eine Finanzkrise auslösen könnte.
  • Der Einheitliche Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) ist ein europäischer Notfallfonds, der in Krisenzeiten in Anspruch genommen werden kann.
  • Der einheitliche Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) ist eine zentrale Einrichtung für die Bankenabwicklung in der EU und eine der wichtigsten Komponenten der Bankenunion.
  • Der Stresskapitalpuffer (stress capital buffer, SCB) ist das obligatorische Kapital, das Finanzinstitute zusätzlich zu den anderen Mindestkapitalanforderungen halten müssen.
  • Gezielte langfristige Refinanzierungsgeschäfte (targeted longer-term refinancing operations, TLTROs) werden von der EZB eingesetzt, um den Banken der Eurozone Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.
  • Das Treasury General Account (TGA) ist das Betriebskonto der US-Regierung, das von ausgewiesenen Verwahrern – in erster Linie den Federal Reserve Banks und ihren Zweigstellen – geführt wird, um tägliche öffentliche Geldtransaktionen abzuwickeln.
  • USD ist der Währungscode für den US-Dollar.
  • Die Renditekurve zeigt die unterschiedlichen Zinssätze für Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten, aber gleicher Bonität.
  • Die Steuerung der Renditekurve (yield curve control, YCC) ist eine geldpolitische Maßnahme, bei der eine Zentralbank variable Mengen an Staatsanleihen oder anderen finanziellen Vermögenswerten kauft, um die Zinssätze auf ein bestimmtes Niveau zu bringen.

Aktuelle Marktkommentare erhalten Sie im täglichen Newsletter „PERSPEKTIVEN am Morgen“.

Redaktionsschluss: 01. August 2023, 18.00