Anleihen – 16.01.23
Stark steigende Inflationsraten und eine zunehmend restriktive Geldpolitik vieler Notenbanken haben 2022 weltweit zu einem kräftigen Anstieg der Zinsniveaus an den Anleihemärkten geführt. So starteten die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen bei 1,5 Prozent, erreichten zwischenzeitlich fast 4,4 Prozent und beendeten das Jahr bei knapp 3,9 Prozent. Die laufende Verzinsung europäischer Unternehmensanleihen mit guter und sehr guter Bonität (Investment Grade, IG) lag zum Jahresultimo bei durchschnittlich 4,3 Prozent – Anfang des Jahres waren es noch 0,5 Prozent.
Im neuen Jahr könnten die Rentenmärkte in ein ruhigeres Fahrwasser kommen – und Anlegern wieder bessere Perspektiven eröffnen. Dieser Einschätzung der Deutschen Bank liegt die Annahme zugrunde, dass sich die hohen Teuerungsraten nicht verstetigen, sondern auf ein mittleres Niveau einpendeln. Für dieses Szenario sprechen derzeit die durchschnittlichen Inflationserwartungen der Analystengemeinde, die beispielsweise für die USA auf Sicht der kommenden fünf Jahre rund 2,5 Prozent prognostiziert. Die aktuellen Anleihezinsen scheinen jedenfalls den Werten zu entsprechen, die historisch betrachtet mit einem mittelhohen Inflationsregime vereinbar sind.
Gleichwohl dürfte die Wertentwicklung von Rentenpapieren auch 2023 stark schwanken. Die großen Notenbanken bleiben hier ein wichtiger Einflussfaktor. Sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ihren Fokus weiter auf die Bekämpfung der Inflation legen. In den USA und vor allem in der Eurozone ist daher mit weiteren Leitzinsanhebungen zu rechnen, wenn auch mit moderateren Zinsschritten als zu Beginn des Zyklus. Überraschende Leizinsanhebungen aber lasten auf den Anleihekursen und können weitere Marktbewegungen auslösen.
Aufgrund der anhaltenden Risiken erscheint es für Anleger ratsam, in den kommenden Monaten vor allem auf liquide Investments und solche mit IG-Rating aus den USA und Europa zu setzen – Rendite und Qualität schließen sich nicht mehr aus. Hier dürften sich bei Staatsanleihen eher US-Papiere anbieten als beispielsweise ihre deutschen Pendants. Das Emissionsvolumen europäischer Staatsanleihen dürfte steigen und die auslaufende EZB-Unterstützung den Rentenmarkt belasten.
Im Segment der Unternehmensanleihen könnte sich ein genauerer Blick auf europäische Banken lohnen: Deren fundamentale Daten im Bereich Kapitalausstattung und Kreditrisiken haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Für höher verzinste Unternehmensanleihen (High Yield, HY) kommt ein Einstieg wohl noch zu früh. Diese Einschätzung könnte sich aber mit dem ab Frühjahr erwarteten Konjunkturaufschwung ändern, sodass im weiteren Jahresverlauf 2023 auch riskantere Papiere wieder in den Fokus der Anleger rücken.
Die Anleihemärkte der Schwellenländer bieten hohe Zinskupons. Viele Staaten haben frühzeitig Maßnahmen gegen die hohen Inflationsraten ergriffen und denken mittlerweile sogar wieder über Zinssenkungen nach. Tritt die erwartete Konjunkturerholung in China ein, profitieren davon konjunkturell nicht nur die Anrainerstaaten, sondern auch rohstoffexportierende Länder etwa in Lateinamerika – China ist weltweit der größte Rohstoffimporteur. Hinzu kommen mögliche positive Effekte für die oftmals in US-Dollar verschuldeten Schwellenländer durch ein erwartetes allmähliches Ende der US-Dollar-Dominanz. Anleger sollten bei ihren Investments aber die große Heterogenität unter den Schwellenländern berücksichtigen, die mit zum Teil sehr spezifischen Herausforderungen zu kämpfen haben.
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Redaktionsschluss: 06.01.2023, 18 Uhr