Anleihen – 12.04.2023

Renten: die Angst vor einer neuen Finanzkrise

Die wichtigsten Fakten:  

  • Sorgen um die Finanzmarktstabilität haben Anleger jüngst in risikoärmere Staatsanleihen getrieben. 
  • In Europa und den USA sind die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen deutlich gestiegen.
  • Größere US-Banken könnten in Zukunft von einer Umschichtung der Kundeneinlagen profitieren.
Renten: im Spannungsfeld von Inflation und Geldpolitik

Quelle: Philip / Adobe Stock

Liquiditätsprobleme einiger US-Banken und einer Schweizer Großbank haben heftige Reaktionen an den Anleihemärkten ausgelöst. Die Marktschwankungen erreichten im März vorübergehend das Ausmaß der Weltfinanzkrise 2007/2008. Die Renditen 2-jähriger US-Staatsanleihen sind am Tag nach der zweitgrößten Bankenpleite in der Geschichte der USA sogar um 61 Basispunkte gesunken – so stark wie zuletzt 1982. An sechs aufeinanderfolgenden Handelstagen veränderte sich deren laufende Verzinsung zum Vortagesschluss um mehr als 20 Basispunkte. In Europa setzten Bundesanleihen gleicher Laufzeit an einem Handelstag um 50 Basispunkte zurück. Seit Beginn der Datenreihe 1990 findet sich kein größerer Tagesrückgang.

Höhere Renditen

Deutlich ausgeweitet haben sich die Renditeaufschläge europäischer Unternehmensanleihen mit guter und sehr guter Bonität (Investment Grade, IG) gegenüber Staatsanleihen. Am stärksten betroffen waren die Banken, die etwas weniger als ein Drittel des EUR-IG-Segments ausmachen. Die Differenz zu Anleihen außerhalb des Finanzsektors stieg auf über 100 Basispunkte an und erreichte den höchsten Stand seit der europäischen Staatsschuldenkrise.

EUR - Unternehmensanleihen: Kurs vs. Wertentwicklung

Quelle: Bloomberg LP, Deutsche Bank. Stand: 31.03.2023 – Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.

Angesichts der Turbulenzen im globalen Bankensektor sind höhere Risikoprämien keine Überraschung. Mit Blick auf die bestehenden Unsicherheiten im Markt könnte die Vorsicht der Anleger zunächst andauern. Insbesondere für Kreditinstitute dürften die Zinsen, zu denen sie sich am Kapitalmarkt Geld beschaffen können, erhöht bleiben, was deren Gewinne tendenziell schmälert.

Allerdings dürfte die jüngste Entwicklung an den Anleihemärkten teilweise auch auf die Diskussion um nachrangige Schuldtitel zurückzuführen sein. Eine Neubewertung dieser Anleihen ist nachvollziehbar – vom Gesamtvolumen machen sie aber nur einen kleinen Anteil aus. Bei fast 89 Prozent der Bankpapiere im EUR-IG-Segment handelt es sich um vorrangige Anleihen. Diese Typen bieten das höchste Schutzniveau und könnten künftig noch stärker nachgefragt werden. Die Fundamentaldaten des Sektors in Europa sind jedenfalls solide. Die Kernkapitalquote (CET1) erfüllt mit rund 14,9 Prozent klar die regulatorischen Anforderungen. Die Liquiditätsdeckungsquote der Institute erreicht gesunde 150 Prozent, das Verhältnis von Krediten zu Einlagen liegt unter 100 Prozent.

Alte Ängste

Auch das breitere IG-Segment dürfte für Anleger grundsätzlich interessant bleiben. Sobald sich die Lage beruhigt, dürften sich die Renditeaufschläge wieder einengen. Das gilt auch für IG-Unternehmensanleihen aus den USA. Deren Spreads waren im Zuge der Marktturbulenzen ebenfalls gestiegen. Nach den Erfahrungen aus der Weltfinanzkrise fürchteten Anleger Ansteckungsrisiken für das globale Finanzsystem.

Das allerdings scheint nicht gerechtfertigt zu sein: Anleihen der betroffenen Banken machen nur einen sehr geringen Anteil am US-IG-Segment aus. Und auch Regionalbanken, die zuletzt durch erhöhte Abflüsse von Einlagen stärker unter Druck geraten sind, stehen nur für 1,4 Prozent des gesamten US-IG-Anleihemarkts.


„Nach Bankenturbulenzen: Was Unternehmensanleihen guter Bonität für Anleger jetzt interessant machen könnte.“


Dagegen könnten größere Finanzinstitute von den aktuellen Entwicklungen profitieren. Sie unterliegen einer strengeren Regulierung und gelten daher als vergleichsweise sicher. Die großen Banken in den USA haben außerdem seit Ende 2021 ihren Anteil an Liquiditätsanlagen, die einem höheren Abschreibungsrisiko unterliegen, spürbar reduziert. Ihr Anteil an unversicherten Einlagen war Ende 2022 nur halb so groß wie bei den angeschlagenen Geldhäusern.

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Redaktionsschluss: 05.04.2023, 18 Uhr