Rohstoffe – 10.05.2023
Der kräftige Rückgang der Rohölpreise im Zusammenhang mit den Finanzmarktturbulenzen Mitte März blieb nicht folgenlos: Die erdölproduzierenden Länder und ihre Partnerstaaten (OPEC+) haben Anfang April überraschend erhebliche Produktionskürzungen beschlossen, um die Notierungen zu stützen. Von Mai bis Dezember plant die Gruppe, die tägliche Förderung um insgesamt 1,67 Millionen Barrel (159 Liter pro Fass) zu drosseln. Das Öl-Kartell ist offenbar nicht gewillt, einen Preis für die Nordseesorte Brent von unter 80 US-Dollar je Barrel zu tolerieren. Das scheint zu gelingen – in den Wochen nach der Ankündigung verteuerte sich das Fass Brent-Öl von rund 72 US-Dollar vorübergehend sogar bis auf 87 US-Dollar. Zuletzt gerieten die Notierungen aufgrund aufkeimender Rezessionssorgen aber wieder unter Druck.
Auch die Preise für US-Öl der Sorte WTI haben sich zeitweise erholt. Es spricht wenig dafür, dass die US-Produzenten die von der OPEC+ geschaffene Angebotslücke schließen. Seit Anfang März sind die Lagerbestände in Cushing/Oklahoma, der größten Öllagerstätte der USA, deutlich gesunken. Obwohl Bohrungen ab einem Ölpreis von 64 US-Dollar rentabel werden, halten die US-Produzenten an ihrer Kostendisziplin fest und scheuen weiterhin die höheren Investitionskosten einer Angebotsausweitung. Das dürfte an den Erfahrungen liegen, die die Branche zwischen 2010 und 2014 gemacht hat, als der Sektor trotz hoher Ölpreise nur ein geringes Wachstum verzeichnete.
Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass im 2. Halbjahr die globale Nachfrage das Angebot deutlich übertreffen dürfte – nach Schätzungen von Bloomberg womöglich um rund 2 Millionen Barrel pro Tag im 4. Quartal. Die IEA erwartet den größten relativen Anstieg der Nachfrage innerhalb eines Jahres seit 2010. Fast die Hälfte davon dürfte der Konjunkturerholung in China geschuldet sein.
Im Gegensatz zu den meisten Energierohstoffen sowie den anderen Edelmetallen weist Gold für das 1. Quartal 2023 eine positive Entwicklung auf. Die Notierungen für die Feinunze (31,1 Gramm) kletterten von 1.825 US-Dollar zu Beginn des Jahres auf 1.985 US-Dollar Ende März. Im April wurde Gold sogar auf einem 13-Monats-Hoch von knapp 2.050 US-Dollar je Feinunze gehandelt.
Vier Faktoren haben die Erholung begünstigt: Der Status des Goldes als „sicherer Hafen“, die erhöhte Nachfrage von Zentralbanken, institutionellen Anlegern und privaten Käufern, die sich abzeichnende Schwäche des US-Dollars aufgrund einer nachlassenden Konjunkturdynamik der US-Wirtschaft sowie die negative Korrelation mit der Renditeentwicklung bei 2-jährigen US-Staatsanleihen. Letztere war im März sehr ausgeprägt, als die laufende Verzinsung unter dem Eindruck der Finanzmarktturbulenzen deutlich nachgab. Ähnlich stark, nur in die entgegengesetzte Richtung, reagierte der Goldpreis im Januar und Februar, als die laufende Verzinsung bis auf das 16-Jahres-Hoch von 5,08 Prozent stieg.
Inzwischen erwarten die Anleger, dass die US-Notenbank Federal Reserve ihren laufenden Leitzinszyklus beendet und noch in der zweiten Jahreshälfte erste Zinssenkungen beschließt. Dieses Szenario dürfte aber wohl nur eintreten, wenn die US-Wirtschaft wie von einigen Marktteilnehmern erwartet tatsächlich in eine Rezession rutscht. Kommt es nicht dazu, könnte die Goldnotierung nachgeben und in einem Korridor zwischen 1.900 und 1.950 US-Dollar je Unze pendeln.
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Redaktionsschluss: 04.05.2023, 18.00 Uhr