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Ein Faktor für die Entwicklung von Rohöl- und Benzinpreisen in den USA ist die alljährliche Hurrikan-Saison von 1. Juni bis 30. November. Historischen Zeitreihen zufolge entsteht rund die Hälfte der Stürme, die auf die US-Küsten treffen, bis Mitte September. Vor dem Hurrikan „Ian“ wurde die Öl- und Benzinproduktion nicht von Naturgewalten beeinträchtigt, die Raffinerien konnten bis Ende September ohne sturmbedingte Unterbrechung arbeiten und die Lagerbestände mussten nicht stark angezapft werden. Zudem wurden Kaufpositionen an den Terminmärkten aufgelöst, die zuvor aufgrund der Warnungen vor einer ungewöhnlich starken Hurrikan-Saison, die sich bis dahin nicht bewahrheitet hatten, erworben worden waren.

In der Folge fiel der Preis für US-Öl der Sorte WTI auf den tiefsten Stand seit Januar 2022. Auch die Differenz der Tankstellenpreise für Normalbenzin zu der WTI-Notierung verringerte sich je Gallone (3,79 Liter) von 2,35 USD Mitte Juni auf 1,58 USD Anfang September. Durch Hurrikan Ian sollte sich dies jedoch ändern: Erste Berechnungen deuten auf tägliche Produktionsausfälle in Höhe von 190.000 Barrel (1 Fass = 159 Liter) hin.

Außerdem laufen im Oktober die Verkäufe aus den strategischen Ölreserven der USA aus, und Ende des Jahres beginnt der Importstopp der meisten EU-Länder für russisches Öl. Auch Produktionsdrosselungen der OPEC-Staaten könnten wieder zu steigenden Ölnotierungen führen.

Mögliche Erholung

In der globalen Energiekrise erlebt die Nachfrage nach Kohle eine Renaissance – und hat im September die Notierungen auf Rekordniveau getrieben. Die verstärkte Substitution von Gas durch Kohle ist leicht erklärbar: Im Jahresdurchschnitt kostete europäische Kohle ein Viertel des Gaspreises. Die Drosselung und der Stopp der russischen Gaslieferungen nach Europa haben zu einem starken Anstieg der weltweiten Gasnotierungen – auch bei Flüssigerdgas (LNG) – geführt. Das EU-Importverbot für russische Kohle, die für 70 Prozent der Gesamteinfuhren stand, ist seit August in Kraft und hat hierzulande zusätzlich zu einem Anstieg der Preise beigetragen.

Die europäische macht zwar nur 5 Prozent der globalen Kohlenachfrage aus – doch der Wirkmechanismus „teures Gas, steigende Kohlenachfrage“ gilt auch für andere Regionen in der Welt. In Asien lagen die Kohlepreise in diesem Jahr durchschnittlich 50 Prozent unter denen für Gas. Die steigende Nachfrage bei einem im Vergleich zu Europa relativ knapperen Angebot hat im asiatisch-pazifischen Raum zu einem deutlichen Preisschub für Kohle geführt. Während China und Indien Zugriff auf die verbilligte russische Kohle haben, mussten andere wichtige Abnehmer wie Japan und Südkorea einen Rückgang der Einfuhren verkraften – die Zeit war zu kurz, um für Europa gedachte russische Kohle nach Asien umzulenken. Außerdem stockt das Angebot aus Australien, dem weltweit zweitgrößten Kohleexporteur. Das Wetterphänomen La Nina beeinträchtigt vorerst die Versorgung.

„Kohlenachfrage und -preis deutlich gestiegen – wann kommt die Erholung bei Gold?“

Geringere Nachfrage

Der Abwärtstrend beim Gold setzt sich fort. Die Feinunze (31,1 Gramm) notierte Ende September klar unter 1.650 US-Dollar. Dem Edelmetall setzt der Zinsanstieg in den USA zu: Der Leitzins dürfte 2022 und 2023 höher liegen als angenommen. Der kräftige Renditeanstieg 2-jähriger US-Staatsanleihen hält den Goldpreis ebenso im Zaum wie die hohen Realzinsen im 10-jährigen Laufzeitenbereich (1,2 Prozent). Das stützt den US-Dollar, der ebenfalls auf dem Preis für Gold lastet. Für einen nachhaltig höheren Goldpreis müssten die Märkte zunächst ein Ende des Zinserhöhungszyklus einpreisen.

Steigende Realrendite belastet Gold

Quelle: Bloomberg L.P. Stand 29.09.2022. Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.

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Redaktionsschluss: 06.10.2022, 18.00 Uhr