Volkswirtschaft – 10.05.2023

Volkswirtschaft: von Rezession und hohen Preisen

Die wichtigsten Fakten:

  • Die US-Wirtschaft könnte in der zweiten Jahreshälfte in eine leichte Rezession abrutschen.
  • Die hohe Inflation könnte die konjunkturelle Entwicklung in der Eurozone längerfristig belasten.
  • Die deutsche Wirtschaft dürfte im 1. Quartal 2023 stagniert haben, eine Rezession könnte aber ausbleiben.

Quelle: tawatchai1990 / Adobe Stock

In den USA mehren sich die Anzeichen für eine Konjunkturabschwächung. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im 1. Quartal auf das Jahr hochgerechnet um 1,1 Prozent – erwartet worden waren 2 Prozent. Der vom Forschungsinstitut Conference Board ermittelte Leading Economic Index (LEI) ist im März den zwölften Monat in Folge gesunken. Der Indikator, der die Konjunkturzyklen anhand von zehn Faktoren aus dem Verarbeitenden Gewerbe, der Arbeitslosigkeit, den Baugenehmigungen und den Zinsdifferenzen abbildet, sank um 1,2 Prozent auf 108,4. Derzeit prognostiziert der LEI, dass die US-Wirtschaft ab Mitte 2023 in eine Rezession abrutschen dürfte. Immerhin zeigte sich der Frühindikator S&P Global Flash US PMI für die wirtschaftliche Aktivität in den USA zuletzt solide. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe ist im April von 49,2 auf 50,4 gestiegen und befindet sich damit wieder im expansiven Bereich. Der Index für Dienstleistungen kletterte von 52,6 auf 53,7.

BIP-Wachstum ausgewählter Regionen

Quelle: Bloomberg Finance L.P.; Stand: 30.04.2023 – Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.

Stärker als erwartet lässt in den USA der Inflationsdruck nach. Die Verbraucherpreisinflation (CPI) fiel von 6,0 Prozent im Februar auf 5,0 Prozent im März. Erstmals seit zwei Jahren liegt aber die Kerninflationsrate (ohne Energie und Lebensmittel) über der Gesamtinflationsrate. Der Anstieg auf 5,6 Prozent lässt befürchten, dass die hohe Teuerung die US-Wirtschaft längerfristig belasten könnte.

Starker Basiseffekt

Das gilt auch für die Eurozone. Dort sank die Inflationsrate von 8,5 Prozent im Februar auf 6,9 Prozent noch deutlicher als in den USA – wenn auch auf einem höheren Niveau. Allerdings war es im März 2022 wegen des im Februar begonnenen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine zu einem sprunghaften Anstieg der Energiepreise gekommen. Dass dieser Basiseffekt nicht zu unterschätzen ist, zeigen der Anstieg im April auf 7,0 Prozent und die hohe Kerninflationsrate, die nach dem Rekordhoch von 5,7 Prozent im März, zuletzt nur leicht auf 5,6 Prozent gesunken ist.

Inzwischen haben sich die Energiepreise wieder signifikant verbilligt – das stützt die Konjunktur. Tatsächlich erweist sich die Eurozone auch zu Beginn des 2. Quartals als überaus widerstandsfähig. Darauf deutet die Schätzung des branchenübergreifenden Einkaufsmanagerindex hin, der für April mit einem überraschenden Anstieg um 0,7 auf 54,4 Punkte die Analystenerwartungen übertrifft. Werte über 50 Punkte signalisieren eine Zunahme der wirtschaftlichen Aktivität. Die Kehrseite: Insbesondere die im historischen Vergleich weiterhin hohe Preiskomponente des Service-PMI lässt darauf schließen, dass die Kerninflationsrate wohl nur langsam sinken wird. Damit steigt die Gefahr für Zweitrundeneffekte, die eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen.

„Lahmende Konjunktur in Deutschland – Chinas Wirtschaftserholung als Hoffnungsträger?“

Während sich der Aufschwung bei den Dienstleistern – die immerhin rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung der Eurozone ausmachen – beschleunigt, setzt sich der Produktionsrückgang im Verarbeitenden Gewerbe fort. Eine weitere Erholung der Konjunktur in Asien und dort insbesondere in China würde allerdings der Eurozone zugutekommen – und das Rezessionsrisiko senken.

Wenig Dynamik

Das gilt allen voran für Deutschland, Europas größte Volkswirtschaft. Hierzulande hat sich der wichtigste Konjunkturfrühindikator den sechsten Monat in Folge verbessert. Der ifo Geschäftsklimaindex kletterte im April um 0,4 auf 93,6 Punkte. Damit blieb der Anstieg aber leicht hinter den Markterwartungen zurück. Die Sorgen der deutschen Unternehmen lassen nach Einschätzung des Münchener Instituts zwar nach, gleichzeitig fehle es der Konjunktur jedoch an Dynamik. Die befürchtete Winter-Rezession dürfte wie in der Eurozone ausgeblieben sein. Nach der Erstschätzung aber stagnierte das deutsche BIP im 1. Quartal.

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Redaktionsschluss: 04.05.2023, 18 Uhr