28. November 2025
Liebe Leserinnen und Leser,
die europäische Chemiebranche bleibt in der Krise, europäische Unternehmen investieren verstärkt, und die Silbernachfrage steigt wegen Solarmodulen stark.
Europas Chemiebranche kämpft mit schwacher Nachfrage und Preisverfall
Die europäische Chemiebranche steckt weiterhin in einer tiefen Krise. Die von einigen Unternehmen erhoffte Erholung der Auftragseingänge in der zweiten Jahreshälfte bleibt aus. Gleichzeitig drücken Überkapazitäten in China die Preise, da Waren infolge des Zollkonflikts verstärkt nach Europa umgeleitet werden. Viele Produktionsstätten in Europa – besonders für vorgelagerte Produkte, die stark mit chinesischen Anbietern konkurrieren – laufen nur auf geringer, nicht kostendeckender Auslastung. Zwar wurden in den vergangenen zwei Jahren bereits Kapazitäten zurückgefahren, doch die Konsolidierung der Branche dürfte sich fortsetzen. Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Chemieunternehmen werden künftig insbesondere Kostensenkungen durch Skaleneffekte sowie ein stärkerer Fokus auf Technologie und spezialisierte Produkte sein. Kurzfristig könnten sinkende Energiepreise oder eine höhere globale Nachfrage der Branche etwas Luft verschaffen. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17 auf Basis einer von Analysten erwarteten Gewinnsteigerung von zehn Prozent im Jahr 2026 ist historisch nicht günstig. Daher dürfte das kommende Jahr ohne Nachfrageaufschwung für europäische Chemieaktien erneut herausfordernd werden.
Europäische Unternehmen investieren verstärkt – und bleiben dividendenstark
Die Unternehmen im MSCI Europe Index – ohne Finanzinstitute und Immobiliensektor – haben in den vergangenen zwölf Monaten einen operativen Cashflow von insgesamt etwa einer Billion Euro erwirtschaftet. Davon wurden 520 Milliarden Euro in Sachanlagen investiert („CapEx“), was einem Anstieg von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Das Verhältnis von Investitionen zu Umsatz liegt mit 7,5 Prozent am oberen Ende des Zehn-Jahres-Bereichs. Besonders hohe Investitionszuwächse von über 15 Prozent gab es bei Versorgern, IT-Unternehmen und Herstellern von Gütern des täglichen Bedarfs. Nur die Automobil-, Öl- und Gasunternehmen haben ihre Ausgaben reduziert. Auch Ausschüttungen an Aktionäre bleiben wichtig: In den vergangenen zwölf Monaten wurden dafür 525 Milliarden Euro aufgewendet – ein Prozent mehr als im Vorjahr. Die durchschnittliche Dividendenrendite lag bei 3,7 Prozent, wobei sie in den Branchen Öl- und Gasunternehmen mit 11,7, Basiskonsumgüter mit 4,8 und Telekommunikation mit 4,2 Prozent deutlich höher ausfiel.
Britischer Herbsthaushalt: mehr Spielraum, höhere Steuern
Großbritanniens Finanzministerin Rachel Reeves stellte am Mittwoch ihren mit Spannung erwarteten Herbsthaushalt vor. Demnach verfügt sie bis 2030 über einen fiskalischen Spielraum von 22 Milliarden Britischen Pfund, umgerechnet rund 25 Milliarden Euro – deutlich mehr als erwartet und doppelt so viel wie die im März-Haushalt prognostizierten zehn Milliarden Britische Pfund. Insgesamt sollen vor allem nachgelagerte Steuererhöhungen in den nächsten fünf Jahren 26 Milliarden Britische Pfund an Mehreinnahmen sichern – darunter die Verlängerung des Einfrierens der Einkommensteuer-Freibeträge sowie die Anhebung der Steuersätze auf Einkünfte aus Dividenden, Immobilien und Ersparnissen um jeweils zwei Prozentpunkte. Vor diesem Hintergrund projiziert die überparteiliche Behörde für Budgetüberwachung bis 2030 einen Rückgang der staatlichen Defizitquote von 4,5 auf etwa zwei Prozent – allerdings nur, wenn alle Maßnahmen wie geplant umgesetzt werden. Die Märkte reagierten am Mittwoch positiv: Das Pfund Sterling profitierte, britische Staatsanleihen waren laufzeitübergreifend gefragt. Gestern zogen die britischen Staatsanleiherenditen dem globalen Trend folgend wieder etwas an. Bei einer Rendite von gut 4,4 Prozent halte ich beispielsweise zehnjährige Restlaufzeiten für eine interessante Ergänzung eines mittelfristig orientierten Anleiheportfolios.
Solarmodule treiben Silbernachfrage auf neue Höhen
Silber hat Anlegern beeindruckende Renditen beschert: Von Oktober 2023 bis November 2025 stieg der Preis um 163 Prozent auf fast 55 US-Dollar je Feinunze.
Treiber sind ein strukturelles Angebotsdefizit und eine wachsende Nachfrage, besonders durch Solarmodule. Im Jahr 2024 entfielen rund 60 Prozent der Gesamtnachfrage auf die Industrie, was fast 700 Millionen Feinunzen entspricht – im Vorjahr waren es noch 650 Millionen. Der Bedarf für Solarmodule wuchs von 200 auf 250 Millionen Feinunzen. Laut IEA wurden 2024 weltweit rund 600 Gigawatt Solarkapazität neu installiert; 2030 könnten es etwa 1.000 Gigawatt sein – dies könnte die jährliche Silbernachfrage bis 2030 um etwa 150 Millionen Feinunzen erhöhen. Das Angebotsdefizit lag 2024 bei etwa 500 Millionen Feinunzen und hat sich damit drastisch gegenüber den rund 20 Millionen im Jahr zuvor ausgeweitet – mit weiterem Steigerungspotenzial. Da Silber meist als Nebenprodukt anderer Metalle gewonnen wird, ist die Versorgung stark von deren Märkten abhängig. Zwar könnte die steigende Nachfrage nach Kupfer und Gold die Silberförderung stützen, doch neue Minenprojekte sind langwierig. Bis 2030 könnte das Angebot durch Minenschließungen sogar sinken. Insgesamt bleibt der Ausblick für Silber aufgrund des knappen Angebots und der boomenden Solarnachfrage positiv.
KI-Blase, Zinsangst, Kursschock – droht ein Crash?
An den Märkten ist einiges los, vor allem bei den Werten, die in diesem Jahr gut gelaufen sind: Kursschwankungen, Angst vor dem Platzen der Blase im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und die Ungewissheit über die Geldpolitik der US-Notenbank Fed sorgen für viel Hin und Her. Ob das nur kurze Kursrücksetzer, eine deutliche Korrektur oder gar der Anfang eines Crashs sein könnte, darüber diskutieren Finanzjournalistin Jessica Schwarzer und ich in der aktuellen Folge von PERSPEKTIVEN To Go – der Börsenpodcast.
Zahl des Tages: 55.000.000
Eine der Annehmlichkeiten des modernen Lebens ist es, im Wald spazieren zu gehen, ohne dass Krokodile von den Bäumen fallen. Das war offenbar nicht immer so. Ein Team um Michael Archer von der University of New South Wales hat im australischen Bundesstaat Queensland die ältesten Krokodileier des Kontinents gefunden. Die 55 Millionen Jahre alten Eierschalen gehören zu ausgestorbenen urzeitlichen Krokodilen, den Mekosuchinae. Es wird vermutet, dass die bis zu fünf Meter großen Reptilien wie Leoparden auf Äste kletterten und sich von dort auf ihre Beute hinabstürzten – was ihnen unter Paläontologen den Beinamen „Drop Crocs“ eingebracht hat.
Ich wünsche Ihnen einen unbehelligten Tag.
Herzlichst
Ihr Ulrich Stephan
Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden
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