„Die Teamdynamik beeinflusst den Erfolg einer Mannschaft enorm“

Sara Doorsoun ist seit 2022 Defensivspielerin bei Eintracht Frankfurt und spielt in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Frauen. Im Gespräch mit der Adler-Fan-Post erzählt sie, welche Werte den Verein auszeichnen und was ihr bisher emotionalster Moment bei der Eintracht war.

Sara Doorsun

1. Wie bist du zum Fußball gekommen und was hat dich dazu motiviert, Profifußballerin zu werden?

Sara Doorsoun: Ich bin durch meinen großen Bruder zum Fußball gekommen. Er musste immer auf mich aufpassen, wenn meine Eltern arbeiten waren, und dann wusste er nicht ganz genau, wohin mit mir, und hat mich mit seinen Freunden auf den Fußballplatz genommen. Seitdem ist es meine Leidenschaft und daran hat sich bis heute nichts verändert.

2. Welche Bedeutung hat es für dich, Teil der Eintracht Frankfurt Frauenmannschaft zu sein, und was schätzt du besonders an diesem Verein?

Sara Doorsoun: Für mich ist es einfach ein großer Schritt zu noch größerer Stärke als je zuvor. Ich spiele eine starke Saison und ich bin hier einfach sowohl menschlich als auch sportlich komplett aufgeblüht. Ich schätze an dem Verein, wie familiär alles ist. Dass ich ein Trainerteam habe, welches zu hundert Prozent hinter mir steht, und dass eine Mannschaft da ist, die jung, lernwillig ist, aber die auch enorme Qualität hat.

3. Seit der vergangenen Saison werden vermehrt Spiele im Deutsche Bank Park ausgetragen. Überhaupt werden immer mehr Spiele in größeren Arenen ausgetragen – wie fühlt es sich an, im großen Stadion vor so vielen Zuschauern und Zuschauerinnen zu spielen?

Sara Doorsoun: Ja, in der Saison werden viele Spiele im Deutsche Bank Park ausgetragen und auch grundsätzlich ist es für mich immer eine Ehre, vor so vielen Zuschauern und Zuschauerinnen zu spielen. Das ist nicht selbstverständlich, aber das zeigt, dass wir genau die Anerkennung bekommen, die wir Frauen verdienen. Dass ganz viele gerne unseren Fußball sehen und dass wir auch große Stadien füllen können. Die Nachfrage ist da und dementsprechend fühlt es sich für mich unfassbar schön an, in den großen Stadien zu spielen.

4. Welche Spielerinnen oder Spieler haben dich in deiner Karriere besonders inspiriert oder beeinflusst?

Sara Doorsoun: Als junge Spielerin hat mich Célia Šašić eng begleitet und motiviert. Da habe ich immer so ein bisschen aufgeschaut. Das war eine der wenigen älteren Spielerinnen, die mir auch immer etwas sagen durften (lacht). Ich war früher ein kleiner Sturkopf und Celia war eine Spielerin, zu der ich total aufgeschaut habe. Wenn sie irgendetwas gesagt hat, dann hab ich nicht zweimal überlegen müssen, ob ich das mache oder nicht.

5. Wie würdest du den Spielstil der Eintracht Frankfurt Frauenmannschaft beschreiben und wie fügst du dich in das Team ein?

Sara Doorsoun: Unser Spielstil ist schnell. Wir haben eine extrem schnelle Mannschaft. Unser Umschaltspiel ist gut. Das ist eine unserer größten Stärken. Wir erobern den Ball ganz früh in der eigenen Hälfte des Gegners und setzen so dann unser Umschaltspiel immer wieder ganz gefährlich ein. Ich füge mich in dem Team mit meiner Erfahrung und Übersicht ein, damit bei Offensivaktionen die Defensive nicht vergessen wird, während wir den Angriff starten. Ich organisiere dann hinten mit meinen Defensivkolleginnen alles. Es macht einfach enorm viel Spaß, mit den Mädels auf dem Platz zu stehen.

6. Welche Ziele setzt ihr euch als Mannschaft für diese Saison? Und welche besonderen Herausforderungen und Chancen siehst du für euch?

Sara Doorsoun: Wir haben das Ziel, wieder mindestens Platz drei zu erreichen und damit die Champions League. Das steht absolut außer Frage. Die damit verbundene Herausforderung ist, dass eine Qualifikation für die Gruppenphase der Königinnenklasse eine dreifache Belastung mit Englische Woche bedeutet - was für viele Spielerinnen neu ist.

Wir müssen immer im Blick behalten, wie man regeneriert, dass gut schläft, um sich dann wieder bestmöglich auf das nächste Spiel vorzubereiten, und ja, die Chancen sind ganz gut. Wir sind theoretisch noch in allen drei Wettbewerben vertreten, aber natürlich ist es schwer, jetzt schon ein Fazit zu finden. Die Saison ist noch lang.

7. Ihr spielt aktuell in der Gruppenphase der Königsklasse. Wie schätzt du eure Chancen für die kommenden Spiele ein?

Sara Doorsoun: Ja, aktuell spielen wir in der Gruppenphase. Wir wissen, dass wir gegen Barcelona gewinnen oder mindestens einen Punkt holen müssen und Benfica Lissabon gegen Rosengård verlieren muss, weil wir den direkten Vergleich gegen Lissabon leider verloren haben. Dementsprechend ist es für uns sehr schwer, die Gruppenphase zu überstehen. Nichtsdestotrotz wollen wir das Gesicht der Eintracht in den beiden Spielen bewahren und zeigen, wofür wir stehen, und egal, wie es dann am Ende ausgeht, das wird auf jeden Fall in Erinnerung bleiben.

Sara Doorsun

8. Kannst du uns von einem außergewöhnlichen Moment in einem Eintracht-Trikot erzählen, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Sara Doorsoun: Im Dezember 2022 haben wir 0 : 5 bei meinem alten Verein VfL Wolfsburg verloren, mir unterlief ein Eigentor. Ein Spiel später erziele ich gegen Potsdam ein Tor. Ich habe mich gefühlt wie Phönix aus der Asche, nachdem ich in der Woche zuvor am Boden war – für mich war es der emotionalste Moment der gesamten vergangenen Saison.

9. Wie sieht dein typischer Tagesablauf während der Saison aus, sowohl auf als auch neben dem Platz?

Sara Doorsoun: Ich stehe meistens um 7 Uhr auf. Wenn ich ausschlafe, dann um 7:30 Uhr. Das habe ich mir so ein bisschen antrainiert, damit ich den Tag nicht ganz verschlafe. Dann mache ich mir ganz gemütlich Kaffee, frühstücke, gehe morgens immer eine lange Runde mit meiner Hündin Peanut spazieren. Dann mache ich den Haushalt, gehe zum Training. Je nachdem, um wie viel Uhr wir trainieren, koche ich mir etwas oder treffe mich mit Freundinnen. An den freien Tagen bin ich fast immer zu Hause in Düsseldorf bei der Familie. Es ist mir sehr wichtig, dass ich mir Zeit neben dem Fußball als Ausgleich nehme, und deswegen versuche ich, immer eine gewisse Balance zu halten.

10. Inwiefern beeinflusst die Teamdynamik den Erfolg einer Fußballmannschaft und wie stärkt ihr eure Bindung als Team?

Sara Doorsoun: Die Teamdynamik beeinflusst den Erfolg einer Mannschaft enorm. Wir sehen einander öfter als die eigene Familie und man muss nicht immer mit jeder Spielerin einen Kaffee trinken gehen oder die beste Freundschaft haben, aber man muss sich in die Augen schauen können und sagen können: „Boah, die Spielerin zerreißt sich auf dem Platz für mich und umgekehrt genauso“, und dass man wirklich Hand in Hand jeden Erfolg, aber auch Misserfolg, vor allem den Misserfolg, gemeinsam meistert und dass man trotz der vielen Zeit, die man miteinander verbringt, auch als Mannschaft gerne mal Sachen macht.

11. Welche Ziele hast du für deine persönliche Entwicklung als Spielerin in den nächsten Jahren?

Sara Doorsoun: Ich bin jetzt 32 geworden und ich möchte weiterhin gesund und fit bleiben. Ich versuche, auf meinen Körper zu achten, genau das zu tun, was ich jetzt in den zwei Jahren in Frankfurt bisher gemacht habe – denn das hat mich sehr stark gemacht. Ich bin kaum aufgeregt vor Spielen, weil ich weiß, dass wir eine Mannschaft sind, die Mitspielerinnen hinter mir stehen, dass ein Trainerteam da ist, was hinter mir steht, und dementsprechend kann ich einfach total beflügelt aufspielen. Ich möchte in den letzten Jahren meiner Karriere gesund bleiben und alles auf hohem Niveau weiter so machen.

12. Gibt es bestimmte Rituale oder Traditionen im Team, die vor Spielen oder in der Vorbereitung auf die Saison eine Rolle spielen?

Sara Doorsoun: Ja, vor jedem Spiel läuft immer „Eintracht vom Main“ als Hymne. Da schließt die Mannschaft einen Kreis und das Lied läuft und alle Spielerinnen singen.

13. Wie hat sich der Frauenfußball deiner Meinung nach in den vergangenen Jahren entwickelt und welche Veränderungen würdest du dir für die Zukunft wünschen?

Sara Doorsoun: Der Frauenfußball hat sich meiner Meinung nach in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. Wenn ich das vergleiche mit Januar 2010, als ich in die Bundesliga zum SC 07 Bad Neuenahr gewechselt bin, da sah das finanziell ganz anders aus. Da konnte man nicht ansatzweise darüber nachdenken, dass wir in großen Stadien spielen, die Aufmerksamkeit war nicht da, die Medienpräsenz war nicht da und das hat sich alles enorm weiterentwickelt und nichtsdestotrotz wünsche ich mir für die Zukunft, dass alle Teams die gleichen professionellen Bedingungen haben. Alle brauchen eine Mindestvoraussetzung, es geht darum, dass Spielerinnen nicht mehr nebenher arbeiten müssen und dass die Bedingungen professionell sind und man sich dann nur auf den Fußball konzentrieren kann.

14. Welche Hobbys oder Interessen hast du, die vielleicht nicht jeder über dich weiß?

Sara Doorsoun: Neben dem Fußball tanze ich total gerne. Das mache ich dann auch ab und zu zu Hause vorm Spiegel. Ich bin zudem ein Modefreak, aber das ist ja kein Geheimnis über mich. Ich liebe shoppen. Ich liebe es, neue Dinge auszuprobieren.

15. Abseits des Fußballplatzes: Gibt es bestimmte Orte oder Aktivitäten in Frankfurt, die du besonders magst und die dir Kraft für die Spiele geben?

Sara Doorsoun: Abseits des Fußballplatzes bin ich einfach total gerne zu Hause in meiner Wohnung. Die ist ein bisschen außerhalb und nicht direkt in der Stadt. Sie ist mein Rückzugsort, weil ich so wenig Zeit zu Hause verbringe. Ich genieße es dann total, mit Peanut Zeit zu verbringen, ohne Trubel und einfach mal zur Ruhe zu kommen.